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Nebenwirkungen (German Edition)

Nebenwirkungen (German Edition)

Titel: Nebenwirkungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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CMO.
London, Richmond House
     
    Wäre nicht die steinerne, undurchdringliche Miene des Gesundheitsministers gewesen, hätte man die Stimmung im Konferenzzimmer von Permanent Secretary Charles Rowley geradezu entspannt nennen können. Für Samantha war es ein Déjà-vu; das gleiche luxuriöse Zimmer, die gleichen Leute, verstärkt durch die Helden des Tages, Professor Heike Wolff und Dr. Peter Thornton. Nur das London Eye drehte sich nicht mehr. Heike hatte die Untersuchungen und Tests der letzten Tage kurz und präzise zusammengefasst, und Samantha fragte sich, ob der gute Sir Gordon Whitney nicht verstehen konnte oder wollte. Vielleicht hatte er auch einfach den Anschiss seines Premiers noch nicht verdaut, doch sie hatte kein Mitleid mit ihm. Sein Permanent Secretary hingegen hatte begriffen. Er wandte sich an den CMO.
    »Es scheint, dass wir die Lage so doch noch unter Kontrolle bekommen. Zwei Fragen bleiben noch: erstens, wie schnell können wir große Mengen des Medikaments herstellen und zweitens, mit welchen Folgen und Nebenwirkungen müssen wir rechnen?« Dr. Howell zog es vor, die heiklen Fragen an die Spezialisten weiterzureichen. Heike räusperte sich und antwortete ohne Umschweife.
    »Zu ihrer ersten Frage, Sir. Das Medikament ist ein relativ einfacher Baustein, der mit den heute in jedem einschlägigen Labor vorhandenen Geräten hergestellt werden kann. Die notwendigen Grundbausteine sind überall verfügbar. Man müsste lediglich den Code publizieren und die Synthese und die Therapien könnten weltweit sofort anlaufen.« Zum ersten Mal schaltete sich nun der Minister mit hochrotem Kopf in die Diskussion ein.
    »Großartig. Warum hat es denn so lange gedauert, diese einfache Lösung zu finden?« Heike unterdrückte den Wunsch, ihm an die Gurgel zu springen, nur mit Mühe. Wäre ihr der CMO nicht zuvorgekommen, hätte sie wohl eine spitze Bemerkung nicht verhindern können.
    »Sir, in der Wissenschaft ist es oft so, dass komplexe Probleme einfache Lösungen haben. Um sie zu finden, muss man erst das Problem verstehen, das ist die Schwierigkeit. Ich bin jedenfalls sehr erleichtert über dieses Resultat.« Sir Gordon blickte mürrisch in die Runde, sagte jedoch nichts mehr, und Heike fuhr unbeirrt weiter.
    »Die Antwort auf die zweite Frage ist leider nicht so positiv. Wir haben zwar keine unmittelbaren Nebenwirkungen festgestellt, aber die Epidemie wird langfristige und vor allem teure Folgen haben. Wie ich schon erläutert habe, kann das Medikament die Krankheit zwar stoppen oder im Falle der präventiven Impfung verhindern, aber eine bereits eingetretene Schädigung der Nervenzellen kann nicht rückgängig gemacht werden. Ein Teil der Patienten wird also mit Einschränkungen des Bewegungsapparates, Lähmungen und Hirnschädigungen leben müssen. Diese Menschen werden auf dauerhafte Hilfe angewiesen sein.« Bevor Sir Gordon wieder explodieren konnte, beeilte sich Dr. Howell zu versichern, dass seine Leute in diesen Minuten daran arbeiteten, diese Folgekosten zu berechnen und Alternativen zur Finanzierung vorzuschlagen. Wenn das auch nicht ganz der Wahrheit entsprach, verfehlte es doch die Wirkung auf den Minister und seinen Permanent Secretary nicht, denn diese Sprache verstanden sie. So erleichtert auch die Vertreter des DH über die Ergebnisse der Arbeiten in Cambridge und London sein mussten, die gigantische Aufgabe, die nun vor ihnen lag, ließ sie verstummen. Der CMO war dankbar, dass er im Anschluss an die Sitzung gleich die nächsten Schritte mit Heike und Peter besprechen konnte.
    »Setzen wir uns kurz in die Cafeteria?«, fragte Robert Samantha und Bastien leise, als sie den Konferenzraum verließen. Das Café in der Nähe der Richmond Terrace war eines der wenigen Lokale in London, die noch regulär geöffnet hatten. Er kam gleich zur Sache, als sie sich setzten.
    »Wir wissen jetzt, dass BiosynQ der wahre Sünder ist.« Er erzählte ihnen von der Entdeckung des blitzenden Labels, die sie den Leuten vom DH verschwiegen hatten. »Fehler können überall geschehen, wo Menschen am Werk sind, aber der gleiche schlimme Fehler sollte nicht zweimal gemacht werden. Doch genau das scheint hier der Fall zu sein. Alles deutet darauf hin, dass diese schreckliche Pandemie hätte vermieden werden können, wenn BiosynQ das seit ihrem Aids-Desaster bekannte Problem nicht unter den Teppich gekehrt hätte.«
    »Ein Riesenskandal«, ärgerte sich Samantha. Die ganze Verzweiflung und Wut über den Hinschied ihres

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