Nebenwirkungen (German Edition)
Vaters, das ungewisse Schicksal ihrer Mutter und Kyles gewaltsamen Tod waren plötzlich wieder da und trieben ihr die Tränen in die Augen. Robert spielte verlegen mit seinem Kugelschreiber, während Bastien seine Kaffeetasse fragte:
»Werden wir sie nun endlich dran kriegen?«
»Ist wohl immer noch Wunschdenken, fürchte ich«, antwortete Robert. »Die Indizien sind eindeutig, aber ob sie den hochbezahlten Juristen des Konzerns standhalten würden, steht auf einem anderen Blatt. Wenn wir nur Marchands Unterlagen noch hätten. Ich bin sicher, dass wir dort das letzte Glied in der Indizienkette finden würden, nach allem, was wir jetzt wissen.« Es war nun auch klar, weshalb BiosynQ alles daran gesetzt hatte, diese Unterlagen verschwinden zu lassen. Doch es half nichts, sich darüber aufzuregen. Weg war weg.
Bastien beobachtete den Professor, der in Gedanken versunken seltsame Zeichen und Ornamente auf die Papierserviette malte.
»Wie viel Memory haben Sie da?«, fragte er ihn.
»Wie bitte?« Robert verstand nicht.
»Der Stift. Wie viel Speicher hat er?« Er verstand noch immer nicht, betrachtete den Stift wie ein seltenes Reptil und sagte schließlich achselzuckend:
»Ich glaube, ich habe diesen Stift noch nie gesehen.« Er kannte diesen etwas unförmig geratenen Kugelschreiber tatsächlich nicht.
»Darf ich mal?«, sagte Bastien und streckte die Hand aus. »Ich hatte auch einmal eines dieser Monster. In dieser Hülle versteckt sich ein USB-Stick. Wahrscheinlich ein Gigabyte Speicher.« Unter den erstaunten Blicken seiner Begleiter drehte er am Stift und zog den oberen Teil aus der Fassung, wobei der USB-Stecker sichtbar wurde. »Sag ich doch. Ein Gigabyte«, murmelte er und betrachtete das Gerät genauer. Plötzlich stutzte er. »Sie haben recht, Professor. Ich glaube, der gehört Ihnen wirklich nicht.« Er zeigte ihnen die Gravur mit dem Namen des richtigen Besitzers. Pierre Marchand stand deutlich lesbar auf der Hülle.
»Wie zum Teufel...« rief Robert überrascht aus, fasste sich jedoch sofort wieder und blickte verlegen in Samanthas lachendes Gesicht. Ihr Zorn war verflogen. Sie begriff schnell, was Bastien hier in der Hand hielt.
»Ich bin sehr gespannt, was Herr Marchand uns auf diesem Chip hinterlassen hat«, sagte sie strahlend, und Basten fügte grinsend hinzu:
»In tausend Megabytes kann man einiges verpacken.« Robert dämmerte allmählich, dass er diesen Stift offenbar an jenem unvergessenen Tag in Paris eingesteckt haben musste, kurz nachdem der unglückliche Monsieur Marchand auf dem Konzertflügel sein Leben ausgehaucht hatte. Bastien klappte seinen neuen Laptop auf, den er überall dabei hatte, steckte den USB-Stick ein und begann, dessen Dateien zu durchforsten, während Samantha und Robert ihm gespannt über die Schultern blickten. Einer der Ordner war offensichtlich verschlüsselt; Futter für die Spezialisten, doch die vielen lesbaren Dokumente und Bilder bestätigten bald, dass ihnen hier ein ergiebiges Archiv mit Details und Photomaterial über Marchands Arbeit bei BiosynQ in die Hände gefallen war.
»Ja!«, rief Samantha aus. »Jetzt sind sie dran.«
Atlantischer Ozean
Erst durch die massive Drohung mit dem Einsatz ihrer ausgezeichneten Presseverbindungen und der ›engen Beziehung‹ zum DH hatte Samantha die Reederei endlich davon überzeugt, offen zu informieren und dem Noteinsatz eines Teams von Spezialisten auf der Crown of the Seas zuzustimmen. Und nichts und niemand auf der Welt konnte verhindern, dass sie selbst zu diesem Team gehörte, ebenso wie Heike Wolff, welche die medizinische Leitung übernahm. Fassungslos hatte sie von der Irrfahrt des ausgestoßenen Ozeanriesen vernommen. Kein geeigneter Hafen ließ das Schiff anlegen, sodass es dem Hurrikan Grace mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert war. Die vollkommen erschöpfte Mannschaft auf der Brücke und an den Maschinen hätte der erbarmungslosen Gewalt des Sturms mit aller Kraft und List nicht mehr entrinnen können, wäre das erhoffte Wunder nicht doch noch in letzter Minute geschehen. Niemand hatte damit rechnen können, und doch schwächte sich Grace beim Erreichen der Karibischen See erheblich ab und wurde unerwartet nach Südwesten abgetrieben, sodass die Crown nur noch den Rand der Gefahrenzone zu spüren bekam. Sie kreuzte jetzt zwanzig Seemeilen vor der Küste Virginias und knapp zweitausend Überlebende hofften verzweifelt auf Hilfe.
Diese Hilfe aber wartete nun bereits seit Stunden im Hangar 12B des
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