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Nebenwirkungen (German Edition)

Nebenwirkungen (German Edition)

Titel: Nebenwirkungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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soeben die Welt gerettet«, bemerkte er lakonisch, als er zu ihnen trat.
    »Du wirst es nicht glauben, aber es sieht ganz danach aus«, antwortete Peter mit breitem Grinsen. »Hol dir was zu trinken, dann erzählen wir dir, was wir gefunden haben, das kann etwas dauern.« Robert schüttelte ungeduldig den Kopf und spitzte die Ohren. Die blitzenden Labels markierten offenbar Abschnitte der Erbsubstanz, denen man gewöhnlich keine Funktion zuschrieb. Es waren Bereiche der DNA, die offenbar nicht für die Proteinherstellung benötigt wurden. Man nannte sie deshalb nichtkodierende DNA, oder mit dem saloppen englischen Ausdruck Junk-DNA, Abfall-DNA, Müll sozusagen. Fast die gesamte Erbsubstanz des Menschen, nämlich 98%, besteht aus solcher Junk-DNA. Und genau der markierte Bereich der vermeintlich funktionslosen DNA produzierte unter bestimmten Voraussetzungen die fatalen Prionen, welche die tödliche Seuche verursachten. Nachdem sie diesen Zusammenhang entdeckt hatten, war es für die beiden erfahrenen Wissenschafter nur noch eine Fleißarbeit, einen molekularen Baustein zu finden, der diese Junk-DNA blockierte. Die tödliche Prionenfabrik wurde damit sofort stillgelegt, der Zerfallsprozess eines betroffenen Hirns würde gestoppt.
    »Meine ›summa cum laude‹ bekommt ihr für diese Arbeit«, scherzte Robert, als Peter geendet hatte. »Wenn ich richtig verstanden habe, bedeutet das, dass ihr eine Methode gefunden habt, die Krankheit zu heilen, die gleichzeitig zur vorbeugenden Impfung eingesetzt werden kann.«
    »Nicht ganz«, entgegnete Heike. »Das mit der Impfung stimmt, aber wir können die Krankheit nur stoppen. Eine Heilung ist es insofern nicht, als wir entstandene Schäden nicht korrigieren können. Die Regeneration von geschädigtem Hirngewebe ist zurzeit leider noch nicht möglich, sonst hätte man ja beispielsweise die Altersdemenz längst besiegt.«
    »Ist mir klar, aber das Wichtigste scheint mir, dass die Pandemie so gestoppt und schließlich gebändigt werden kann.« Robert war überzeugt, dass die beiden tatsächlich die Lösung des Problems gefunden hatten, doch er hatte die größten Bedenken, dass die entdeckte Methode auch rechtzeitig in die Praxis umgesetzt werden konnte, vergingen doch normalerweise Monate, wenn nicht Jahre, bis ein neues Medikament zugelassen wurde. Peter bemerkte seinen skeptischen Gesichtsausdruck.
    »Was ist?«, fragte er, und Robert äußerte seinen Vorbehalt.
    »Unter normalen Umständen wäre ein solches Zulassungsverfahren tatsächlich langwierig und aufwändig, aber das hier sind keine normalen Umstände. Das Ausmaß der Katastrophe übersteigt das einer Jahrhundertgrippe bei weitem. Auch unser vorsichtiges Department of Health wird einsehen, dass wir keine Zeit zu verlieren haben.« Und zu Heike gewandt fügte Peter hinzu: »Ich denke, es ist Zeit, den CMO zu informieren.«
    Dr. Howell hatte sich vom anfänglichen Skeptiker zur eigentlichen Stütze des Unterfangens gewandelt. Er hatte bald eingesehen, dass hier erstklassige und gewissenhafte Wissenschafter am Werk waren, die er zu seinem eigenen Vorteil tatkräftig fördern musste. Mit Überzeugung, Hartnäckigkeit und Mut, der manchmal an politischen Selbstmord grenzte, schirmte er die wichtige Arbeit der Wissenschafter von allen negativen bürokratischen Einflüssen ab und räumte jedes Hindernis aus dem Weg. Der äußerst erfreuliche Bericht aus Cambridge bestätigte seinen eingeschlagenen Kurs hundertprozentig, und er war entschlossen, die notwendige Zulassung in Rekordzeit durchzudrücken, auch wenn sie sich reichlich unkonventioneller Methoden bedienen mussten. Krisenzeiten verlangen außerordentliche Maßnahmen, Scheiß drauf , dachte er. Laut sagte er ins Telefon:
    »Sobald Sie mir ihren kurzen schriftlichen Bericht geliefert haben, werden Sie die Bewilligung erhalten, Tests an Freiwilligen durchzuführen, und Freiwillige gibt’s genug, das können Sie mir glauben.«
London, Docklands
     
    »Charon auf dem Styx«, murmelte Bastien, als er von der Fensterfront in Samanthas Büro auf die Themse und den Dome hinunterblickte. Samantha saß gedankenverloren an ihrem Schreibtisch und schreckte auf.
    »Was?«
    »Charon, der Fährmann, der die Seelen der Toten über den Fluss Styx vom Reich der Lebenden in die Unterwelt schifft. Das Patrouillenboot, die Themse, der hermetisch abgeriegelte Dome als Hades erinnert fatal an diese Vorstellung der alten Griechen.«
    »Ach, ich verstehe. Nur ist das hier leider kein

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