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Nebenwirkungen (German Edition)

Nebenwirkungen (German Edition)

Titel: Nebenwirkungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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Leute haben zwar keine Berufsausbildung, aber es gibt einige geschickte Handwerker unter ihnen. Sie müssen also nicht wegen jeder Kleinigkeit in die Stadt fahren.«
    Célia stand auf und fuhr fort: »Es wird Zeit, dass ich Ihnen die Anlage zeige. Ich habe noch ein wichtiges Dinner in Gaborone heute Abend und darf den Rückflug morgen nicht verpassen. Wenn Sie mir bitte folgen wollen.«
     
    Die Sonne war längst untergegangen, als Paul eine der mitgebrachten Kisten öffnete. Katie schüttelte den Kopf und sah ihn fragend an.
    »Was? Keine Angst, ich werde nicht alles heute Abend auspacken«, lachte er und hielt ihr stolz eine Flasche besten Champagners unter die Nase. »Ich habe etwas nachzuholen. Ich weiß nicht, ob du auch mitmachen darfst, aber ich habe heute zum ersten Mal den Äquator überquert, darum ist jetzt eine anständige Äquatortaufe fällig.«
    »Ich werde dir doch nicht verraten, ob ich schon getauft bin. Her mit dem edlen Tropfen«, antwortete Katie mit gespielter Entrüstung. Sie zogen sich auf die kleine Veranda hinter dem Haus zurück und saßen lange Zeit still im Dunkeln. Die erste Nacht auf dem Schwarzen Kontinent, dachte Katie. Sie hatte sich gründlich auf diese Reise und die bevorstehende Aufgabe vorbereitet, hatte stundenlang Informationen über diesen Flecken Erde gesammelt, hatte Reiseberichte, gar einen historischen Roman gelesen. Sie hatte eine genaue Vorstellung davon, was sie hier erwartete, doch nun war alles anders. In dieser ersten Nacht wurde ihr klar, dass sie dieses Gefühl niemals würde in Worte fassen können. Diese afrikanische Nacht zu beschreiben hieße, Vergleiche anzustellen, das Unbekannte durch Bekanntes zu umschreiben, aber es gab nichts Vergleichbares. Paul musste es wohl ähnlich ergehen. Lange Zeit hatte er wortlos in den seltsam fremden Nachthimmel gestarrt, die ungewohnten Geräusche und würzigen Gerüche auf sich wirken lassen, das volle Glas in der Hand.
    »Ich glaube, mir gefällt es hier«, sagte Paul nachdenklich. »Es ist überwältigend, ganz anders als ich es mir vorgestellt habe. Wir werden hier wohl noch viel lernen.«
    Er hatte keine Vorstellung, wie recht er damit hatte.
     
    Paul hatte unruhig geschlafen. Er war begierig darauf, endlich mit der Arbeit zu beginnen. Bereits vor Sonnenaufgang war er losgefahren, um die Messgeräte auf dem weitläufigen Gelände zu installieren. Bei den Geräten handelte es sich um ausgeklügelte Mückenfallen, mit denen sie die Anopheles-Population während des Feldversuchs überwachen würden. Nun hatte er seine erste morgendliche Runde beendet und stand zufrieden am Rand des Kraters, der seinerzeit durch die Probesprengungen entstanden war. Verglichen mit den Kratern der großen Diamantminen war dies ein bescheidenes Loch. Auf dem Grund hatte sich Wasser angesammelt, ein friedlich schlummernder See, in dem sich der gelbbraune verwitterte Fels und ein wolkenlos blauer Himmel spiegelten.
    »Wer bist denn Du?«, fragte er verblüfft, als er plötzlich einen kleinen Affen mit Löwenmähne neben sich bemerkte, der ihn frech musterte.
    »Tau«, antwortete der Affe.
    Paul wäre vor Schreck beinahe in den Krater gefallen.
    »Affe heißen Tau, Löwe«, wiederholte der Junge, der unhörbar hinter ihm aufgetaucht war. Paul schaute den kleinen fast schwarzen Kerl verdutzt an und streckte ihm die Hand entgegen.
    »Hallo junger Mann. Ich bin Paul. Wie heißt Du?«
    Der Junge schaute ihn neugierig an, schüttelte ihm selbstsicher die Hand und antwortete in gebrochenem Englisch: »Ich Nyack, und das Tau, mein Affe.«
    »Guten Tag Herr Tau«, begrüßte Paul den Gefährten des kleinen Jungen. Dieser verstand das als Aufforderung, ihm flink auf die Schulter zu klettern. Dieser Feldversuch versprach etwas anders zu verlaufen als seine früheren Einsätze im Außendienst, und er freute sich darüber. Der Junge war ein aufgewecktes Kerlchen, der sofort alles wissen wollte. Er schien im Nachbardorf zu wohnen, kannte sich aber offensichtlich gut aus in der alten Mine. Paul schätzte sein Alter auf etwa zehn Jahre. Er erzählte ihm kurz, was sie hier machten und Nyack war sogleich sein ›Assistant‹. Der Junge gefiel ihm. Er wollte mehr über ihn erfahren und lud ihn ein, mit ihm zum blauen Haus zu fahren. Er hatte die begierigen Blicke wohl bemerkt, die Nyack verstohlen seinem Jeep zugeworfen hatte. Als sie vor dem Haus anhielten und der Knabe stolz aus dem Wagen sprang, stand Mrs. Umangua breitbeinig in der Türöffnung und empfing sie

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