Nebenwirkungen (German Edition)
alten Mine und Paul fuhr in die angegebene Richtung. Kurz bevor sie den Rand des Abhangs erreichten, machte Nyack eine Kreisbewegung mit seiner Hand und sagte:
»Andere Seite.«
»Aber da ist ein Hügel«, erwiderte Paul erstaunt.
»Ja, hinter Hügel.«
Als sie um den kleinen, abgeflachten Hügel herum gefahren waren, sah Paul drei verwitterte, graue, offensichtlich seit langem verlassene Gebäude hinter einem hohen verrosteten Metallzaun, dessen oberer Rand aus Stacheldraht bestand. Soweit er auf den ersten Blick erkennen konnte, waren Fenster und Türen der eingeschossigen Häuser mit Holzbrettern vernagelt. Kein Schild, kein Hinweis deutete auf den Zweck dieser Anlage hin. Der Junge schaute ihn triumphierend an.
»Das ist dein Geheimnis?«
Nyack schüttelte den Kopf, sprang aus dem Wagen und winkte ihm.
»Komm.«
Er rannte ein Stück den Zaun entlang und zeigte schließlich auf eine Stelle am Boden. Hier war es ihm gelungen, den durchgerosteten Maschendraht von der Metallstrebe zu lösen und ein wenig zu verbiegen, sodass er hindurchschlüpfen konnte. Im Nu war er auf der anderen Seite und rannte auf eines der Gebäude zu. Paul konnte ihm nicht folgen. Der Durchschlupf war viel zu eng. So beobachtete er, wie Nyack sich an einem der verbarrikadierten Fenster zu schaffen machte. Der Junge konnte zwei der Bretter anheben und war im nächsten Augenblick im Haus verschwunden. Paul hatte kein gutes Gefühl bei dieser Sache. Was mochte sich wohl in diesen Gebäuden befinden? Die Räume konnten vergiftet oder sonst wie verseucht sein. Man hatte wohl seinerzeit gute Gründe gehabt, diesen hohen, massiven Zaun zu errichten. Noch mehr beunruhigte ihn, dass man ihnen nichts von dieser Anlage erzählt hatte.
»Du solltest nicht in diese Häuser hinein«, rief er dem Jungen hinterher. Doch der blieb eine Weile verschwunden. Als er wieder aus dem Fenster kletterte, schwenkte er vergnügt etwas Schwarzes in seiner kleinen Hand, das er kurz darauf Paul unter die Nase hielt. Wie er vermutet hatte, war es ein kleines schwarzes Notizbuch. Als er es öffnete, fiel ein vergilbter mehrfach gefalteter Zettel zu Boden. Nyack ergriff ihn flink, entfaltete ihn und deutete auf eine Zeichnung, die offenbar eine Art Landkarte darstellte.
»Schatz«, sagte der Junge mit selbstbewusst geschwellter Brust. Paul nickte nachdenklich, während er die Seiten des Büchleins sorgfältig durchblätterte. Neben Skizzen, Tabellen und einigen chemischen Formeln war etwa die Hälfte des Buchs in einer penibel ebenmäßigen und sehr kleinen Handschrift dicht mit französischem Text beschrieben. Es schien eine Art Tagebuch zu sein. Die jüngsten Einträge waren etwas mehr als ein Jahr alt. Er hatte jetzt keine Zeit, die Notizen zu lesen, aber er nahm sich vor, das sobald wie möglich nachzuholen. Vielleicht kam er damit dem Geheimnis dieser unheimlichen Anlage auf die Spur. Beim Durchblättern war ihm der Name der Firma BiosynQ mehrfach aufgefallen. Dieser Konzern schien etwas damit zu tun zu haben, doch sie wollten offensichtlich nicht, dass er und Katie sich damit beschäftigten.
Um sieben Uhr wurde es bereits dunkel. Es war Zeit für das tägliche Telefongespräch mit Heidelberg, und sie hatten gute Nachrichten. Die Messungen konnten ohne Probleme durchgeführt und ausgewertet werden. Die Ergebnisse wurden laufend über e-Mail an Heike übermittelt. Auch die Datenverbindung klappte ausgezeichnet, da das Versuchsgelände über Satellit direkt mit dem Internet verbunden war.
Sie hatten zwar festgestellt, dass die S-Population, also die Mücken mit dem synthetischen Gen, nicht in dem Masse anstieg, wie sie erwartet hatten, doch das war noch kein Grund zur Beunruhigung. Die modifizierten Insekten würden sich schließlich durchsetzen. Ihr verändertes Erbmaterial verschaffte ihnen einen eindeutigen Vorteil gegenüber den natürlichen Artgenossen. Dafür hatten sie in langen Versuchsreihen gesorgt.
»Pressekonferenz? Kein Problem, es läuft alles planmäßig. Halt uns bitte einfach da raus, wir machen lieber in Ruhe unsere Arbeit«, sagte Katie, als sie von der in Paris geplanten Veranstaltung hörte. Sie liebte diese Feldarbeit und wollte möglichst nicht dabei gestört werden.
Beim wohlschmeckenden, wenn auch etwas undefinierbaren Abendessen, das Mrs. Umangua zubereitet hatte, erzählte Paul seiner Kollegin von Nyacks Fund, der ihn seltsam beunruhigte.
»Ich verstehe einfach nicht, warum BiosynQ so ein Geheimnis daraus macht. Vielleicht
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