Nebenwirkungen (German Edition)
mit strafendem Blick.
»Was hab ich dir gesagt, du sollst die Herrschaften nicht belästigen«, schnauzte sie Nyack an. Der ließ sich nicht einschüchtern, grinste bis über beide Ohren und rief selbstbewusst:
»Baba, Nyack Assistant von Mr. Paul«,
Baba Umangua war seine Tante. Der Junge wohnte bei ihr, seit seine beiden Eltern an der bösen Krankheit gestorben waren, wie sie Paul und Katie später erzählte. Damit meinte sie die in diesem Land besonders weit verbreitete Seuche Aids.
»Nyack treibt sich zu oft hier in der Mine herum«, klagte seine Tante. »Er sollte besser etwas Vernünftiges lernen.«
»Geht er denn nicht zur Schule?«, fragte Katie, die den Jungen sofort in ihr Herz geschlossen hatte.
»Die Schule ist vor einem Jahr geschlossen worden. Kein Geld, keine Lehrer, kaum Kinder. Keiner wollte mehr hier unterrichten. Die Kleinen müssten die Schule in der Stadt besuchen, aber das ist zu weit und niemand kann sich ein Fahrzeug leisten. Also bleiben die Bengel zuhause und treiben Unfug.«
Katie konnte das nicht begreifen. Warum sorgten die Behörden nicht für Schulbusse, beispielsweise?
»Die geben das Geld lieber für Luxustouristen und andere Zwecke aus, wo sie mehr Profit für sich selbst heraus holen«, murrte Mrs. Umangua resigniert. Nachdem sie mit ihrem Neffen und seinem kleinen Löwen gegangen war, machten sich Katie und Paul nachdenklich wieder an ihre Arbeit. Sie waren endgültig in der Dritten Welt angekommen.
Köln
»Haben sich Ihre Leute gut eingelebt in unserem Versuchsgelände?«, fragte Célia im lichtdurchfluteten Eckbüro in der obersten Etage des BiosynQ Kristalls. Sie war oft geschäftlich in Deutschland, sodass sie auch hier in Köln ein luxuriöses Büro zur Verfügung hatte. Heike Wolff, ihre Gesprächspartnerin, nickte zufrieden, als sie antwortete:
»Die Arbeiten schreiten gut voran. Die Basis-Messungen sind abgeschlossen. Morgen wird die erste Testreihe mit mutierten Mücken gestartet. Wie ich gehört habe, sind die Anlagen in tadellosem Zustand. Ich bin zuversichtlich, dass wir in zwei, drei Wochen erste positive Resultate sehen werden.«
Darüber hatte Célia mit Professor Wolff sprechen wollen. Dieses Forschungsprojekt war so wichtig, dass sie nichts dem Zufall überlassen konnte. Sie war entschlossen, so rasch wie möglich an die Öffentlichkeit zu treten. Sie hatte sich im Konzern mit eisernem Willen durchgesetzt und diese Zusammenarbeit in einem Rekordtempo möglich gemacht. Der Erfolgsdruck war enorm, doch das war die erfahrene Managerin gewohnt. Sie wollte den Feldversuch in einer groß angelegten Aktion der Fachwelt und einem größeren Publikum ankündigen, sobald erste messbare Resultate vorlagen. Sie wusste, wie wichtig es war, die Presse laufend und gezielt mit gut verdaulichen Informationshäppchen zu versorgen.
»Wir stellen uns vor, eine Pressekonferenz an unserem Hauptsitz in Paris durchzuführen, sobald Sie erste Erfolge bestätigen können. Der Erwartungsdruck in unserer Geschäftsleitung ist groß. Dies ist ein Schlüsselprojekt mit höchster Priorität. Wann glauben Sie werden verlässliche Resultate vorliegen?«
Heike begann sich über den forschen Ton dieser Frau zu ärgern. Sie hätte sie liebend gern mit einer giftigen Bemerkung zurechtgewiesen. Schließlich waren sie ein Team von Spitzenforschern und Forschungsergebnisse ließen sich nicht ohne weiteres nach Plan aus dem Hut zaubern. Doch sie unterdrückte den Widerwillen gegen diesen Aktionismus und antwortete sachlich:
»Wir werden Sie selbstverständlich laufend über den Fortschritt informieren. Geben Sie unseren Leuten noch etwas Zeit, den Versuch mit der nötigen Sorgfalt durchzuführen. Sie finden sich ja immerhin schon sehr gut zurecht – dank Ihrer Einführung und der Hilfe dieser Haushälterin und ihres pfiffigen Enkels. Der Kleine kennt offenbar die alte Mine bis in die verborgensten Winkel, wie mir unsere Leute berichtet haben.«
Célia horchte auf. Verborgene Winkel? Sie hatte sich jedoch gut unter Kontrolle. Vorsichtig bemerkte sie dennoch: »Mir sind keine verborgenen Winkel bekannt.«
»Ich erinnere mich nicht an die genauen Worte. Paul wollte damit wohl nur ausdrücken, dass sie bestens versorgt seien, und das ist entscheidend, wenn gute Arbeit geleistet werden soll. Die Versuchsanlage ist ein Glücksfall für unser Projekt. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: ich rechne schon damit, dass wir den erwarteten Rückgang der Plasmodienkonzentration in etwa einem Monat
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