Nebenwirkungen (German Edition)
war, blieb ein Rätsel.
Abends saß Paul wie gewohnt vor dem PC und navigierte durch die Webseiten der internationalen und lokalen Presse. Manchmal klickte er wehmütig durch die Seiten mit Fotos und belanglosen Informationen und Neuigkeiten aus dem Marais, dem Pariser Viertel, in dem er seine Jugend verbracht hatte. Etwas beschämt erinnerte er sich an die Streifzüge durch die Rue des Rosiers mit seinem Freund, wie sie sich mit dem Duft von Pastrami und Kohlsuppe in der Nase über die seltsame Sprache der alten Juden lustig gemacht hatten. Naive, unwissende Knirpse waren sie damals, doch ihnen gehörte die Welt. Als er zu den Zeitungsseiten zurückkehrte, fiel ihm Eine Eilmeldung auf der Frontseite der ›Pretoria News‹ sofort auf.
Malaria zurück im Norden
[South Africa] In den Provinzen Limpopo und North West sind in den letzten zwei Wochen vermehrt Fälle von Malariaerkrankungen gemeldet worden. Es handelt sich um die besonders aggressive Form der Malaria tropica, und das in einer Gegend, wo die Krankheit als ausgerottet galt. Die Situation ist auch deshalb beunruhigend, weil die Zahl der Erkrankungen rasch anzuwachsen scheint. Zurzeit sind bereits über hundert Fälle bekannt. Sogar aus Sun City wurden erste Erkrankungen gemeldet. Die Behörden fragen sich besorgt: ist das der Beginn einer Epidemie?
»So eine Scheiße!«, rief er aus, dass Katie ihn bestürzt ansah. »Entschuldigung, ist sonst nicht meine Art. Aber das solltest du dir ansehen.« Sie las die vernichtende Kurzmeldung und erbleichte. Verstört stammelte sie:
»Nein, das ..., nein. Das muss ein unglücklicher Zufall sein.«
»Unglücklich ist vielleicht nicht das richtige Wort«, antwortete Paul mit bitterem Unterton in der Stimme. »Katie, ich glaube nicht an solche Zufälle, und du wohl auch nicht.« Wenn die unausgesprochene Vermutung richtig war, kündigten diese paar Sätze so etwas wie den GAU ihres Feldversuchs an, den größten anzunehmenden Unfall. Ihr Problem mit dem rasant wachsenden Mückenbestand war offensichtlich kein lokales Problem mehr. Eilig und voller böser Vorahnungen durchsuchten sie die Seiten der anderen regionalen Blätter, die sie sonst kaum gelesen hatten. Der Botswana Guardian, die Botswana Gazette und schließlich die Daily News aus Gaborone, sie alle brachten ähnliche Meldungen auf ihrer Frontseite. Der Guardian stellte offen die Frage, warum die Behörden den Tatsachen nicht ins Auge sehen wollten und warf ihnen grobe Fahrlässigkeit und Untätigkeit vor. Lange saßen sie schweigend vor dem Bildschirm. Endlich stand Paul auf und verschwand in die Küche. Als er zurückkam, hatte er zwei großzügig gefüllte Gläser Cognac in den Händen und sagte mit müdem Lächeln: »Ich habe zwar einmal gehört, man solle nie trinken, wenn man es nötig habe.«
»Scheiß drauf«, antwortete sie, ohne ihn anzusehen, nahm das Glas und trank es in einem Zug aus.
London, Docklands
Bastien brauchte einen starken Espresso Doppio. Er hatte in den letzten paar Tagen bis spät in die Nacht gearbeitet und war trotzdem stets einer der ersten im Büro. Als Junior konnte er sich keine Schwäche leisten, glaubte er jedenfalls. Einen Vorteil hatten die mörderischen Arbeitszeiten. Sein Arbeitsweg verkürzte sich so auf eine Stunde. Im normalen Berufsverkehr wäre er wohl gut und gerne anderthalb bis zwei Stunden mit seiner knallgelben Ducati unterwegs gewesen. Während er den belebenden Kaffee trank, sichtete er die gesammelten Unterlagen. Er war überzeugt, dass sein Verdacht richtig war. Das Material zeigte fast lückenlos auf, dass ihre Heidelberger Freunde im südlichen Afrika ein größeres Problem hatten.
Als er Samantha in ihr Büro gehen sah, raffte er die Papiere zusammen und eilte damit zu seiner Chefin. Der Zeitpunkt war gut, denn draußen hatte sich der Himmel verfinstert. Ein heftiger Regen prasselte auf die Docklands nieder und verwandelte die Straßen in silbern glänzende Bäche, als seien sie Zuflüsse der aufgewühlten Themse. Von hier oben konnte man herrlich beobachten, wie sich im Nu lange Schlangen kleiner Modellautos bildeten, die sich kaum mehr bewegten. Vielleicht war es schnöde Schadenfreude beim Betrachten dieser Szenerie, vielleicht aber auch die ehrliche Freude am wilden Naturschauspiel, welche dafür sorgten, dass Samantha regelmäßig gut gelaunt war bei solchem Unwetter.
»Glück gehabt, was?«, begrüßte sie ihn vergnügt.
»Allerdings; fünf Minuten später, und ich hätte mein Bike
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