Nebenwirkungen (German Edition)
lauschigen Garten hatte. Die Zeit schien günstig, denn eines der runden weißen Tischchen im Schatten des alten Baumbestands war frei.
So sehr er sich auch bemühte, das flaue Gefühl im Magen durch die positive Wirkung dieser herrlichen Umgebung zu verdrängen, es wollte ihm nicht gelingen. Manchmal hasste er seinen Beruf. Warum konnte er nicht einfach mit dieser wunderbaren Frau hier sitzen und das Leben genießen, anstatt ihr eine Menge unangenehmer Fragen an den Kopf zu werfen? Er hasste sich für das, was er gleich tun würde, und er ärgerte sich, dass ihm noch immer keine vernünftige Strategie eingefallen war, mit der er seine Arbeit erledigen konnte, ohne sich Heikes Wohlwollen gänzlich zu verscherzen.
Auf dem Weg zur Neuen Universität nahm er kaum wahr, was um ihn herum vor sich ging. Erst als er vor Heikes Tür stand, besann er sich auf seine Berufserfahrung. Er würde dieses Interview wie so viele in seiner bisherigen Karriere mit professioneller Distanz und Objektivität durchführen. Seine Gefühle mussten warten.
»Freut mich, Sie wieder zu sehen«, begrüßte ihn Heike mit gewinnendem Lächeln. »Ich muss mich gleich entschuldigen. Ich erwarte einen dringenden Anruf, den ich nicht verschieben konnte. Wir müssen das Gespräch dann kurz unterbrechen.«
»Kein Problem«, antwortete Kyle, erfreut über die auffallend nette Begrüßung. Als er ihr kurz und möglichst unverfänglich am Telefon geschildert hatte, worum es ging, hatte sie eher reserviert reagiert. Nun schien sie sich ehrlich über seinen Besuch zu freuen. Gut, aber es machte sein Vorhaben auch nicht einfacher.
»Ich hätte Sie sehr gerne zum Essen eingeladen, um nachzuholen, was wir in Paris verpasst haben. Es spricht sich entspannter bei einem guten Glas Wein.«
»Ja, das ließ sich leider wieder nicht einrichten, aber danke für die Einladung. Den Wein lassen wir sowieso besser weg. Mein Kopf ist jetzt noch schwer, wenn ich an jene Bar denke. Aber schießen Sie los. Es geht um neuere Malariafälle?«
Bevor Kyle antworten konnte, klingelte Heikes Telefon. Er wollte sofort aufstehen um draußen zu warten, doch sie bedeutete ihm, sitzen zu bleiben. Sie leitete den Anruf auf einen anderen Apparat und ging ins Nebenzimmer. Durch die angelehnte Tür vernahm er unwillkürlich Wortfetzen und Ausschnitte des Gesprächs. Die Stichworte ›BiosynQ‹, ›sprühen‹, ›Malaria tropica‹ ließen ihn aufhorchen. Vorsichtig näherte er sich der Tür, um besser zu verstehen. Im Lauf der einseitigen Unterhaltung wurde Heike immer einsilbiger, bis er schließlich nichts mehr verstehen konnte. Die Bruchstücke, die er gehört hatte, fügten sich jedoch nahtlos in die Geschichte ein, die Bastiens Dossier zu belegen schien. Als Heike mit besorgter Miene zurückkehrte, begann Kyle, ihr seine Vermutung zu erläutern. Er zeigte ihr die Übersichtsgrafik, welche diese Vermutung nahe legte. Ihre Reaktion überraschte selbst den hartgesottenen Journalisten. Sie winkte ihn zu sich an den Bildschirm und zeigte ihm lächelnd eine Tabelle mit zugehörigem Diagramm, das belegte, wie sich der Bestand an gefährlichen Mücken im letzten Monat bis zum Vortag entwickelt hatte.
»Sie sehen hier eine leichte Zunahme in der letzten Woche, doch inzwischen flacht der Bestand wieder wie erwartet ab. Dieser Kurvenverlauf ist nicht ungewöhnlich in einem komplexen Ökosystem. Wir sind sehr zufrieden mit dem Verlauf des Experiments. Die Malariafälle in ihrem Bericht zeigen einfach, wie wichtig unsere Arbeit ist. Man ist offensichtlich auch heute trotz aller Prävention noch keineswegs sicher vor dem Aufflackern von Epidemien.«
Elegant konterte sie jede kritische Frage Kyles mit plausiblen Argumenten, bis ihm schließlich klar wurde, dass Bastiens umfangreiches Dossier niemals ausreichen würde, um seinen Verdacht hieb- und stichfest zu beweisen. Deine Mission ist gescheitert, Kyle, dachte er. Zu seiner Überraschung empfand er eher Erleichterung als Enttäuschung. Er hatte keinen Grund und vor allem keine Mittel mehr, die souveräne Frau Professor Wolff weiter in die Enge zu treiben. Bevor er sich verabschiedete versuchte er es daher noch ein letztes Mal.
»Auf die Gefahr hin, dass Sie mich für unverschämt halten, frage ich Sie doch noch einmal, bevor ich gehe. Darf ich Sie zum Essen einladen. Oder wenigstens zu einem Bier?«
Sie lachte und machte plötzlich einen ziemlich müden Eindruck. »Danke, wirklich nett von Ihnen, aber ich wäre heute keine gute
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