Nebenwirkungen (German Edition)
schieben können«, antwortete Bastien und dankte dem Wettergott für seine Gnade. »Sam, ich habe die Recherchen abgeschlossen. Ich glaube, wir müssen nicht mehr weiter suchen. Die Sache ist eindeutig.«
»Das werden wir ja gleich sehen«, murmelte sie, als sie das Dossier öffnete. Er ließ sie in Ruhe lesen. Nur einmal am Anfang seiner kurzen Karriere bei Life! hatte er es gewagt, sie zu unterbrechen, doch er wollte sich nicht mehr daran erinnern. Sie war schnell. Als sie das letzte Blatt in die Hand nahm, schaute sie Bastien fragend an.
»Das ist eine grafische Synopsis, die ich erstellt habe. Du siehst hier die örtlichen und zeitlichen Zusammenhänge besser.«
Grundlage der Grafik bildete eine Landkarte mit dem afrikanischen Kontinent, dem europäischen Festland und den britischen Inseln. Mindestens ein Dutzend unterschiedlich dicke Pfeile zeigten auf verschiedene Städte in England, Frankreich, Deutschland, Belgien und anderen Ländern. Die Pfeile markierten Reisewege von Personen und Familien, die Bastien in mühsamer Kleinarbeit zusammengetragen hatte. Alle Wege hatten ihren Ursprung in der Gegend um Sun City, den Lodges von Madikwe und der Grenzregion zwischen Botswana und Südafrika. Jeder Pfeil war mit einem Datum versehen, keines älter als einen Monat. Bastien hatte viele der in letzter Zeit wieder häufiger auftretenden Fälle von Malariaerkrankungen zurück verfolgt und nachgewiesen, dass die Betroffenen alle etwa zur selben Zeit in der Region ihre Ferien verbracht hatten, wo der Feldversuch der Universität Heidelberg durchgeführt wurde. Die Region, in der man bereits von einer Epidemie sprach, wenn man den lokalen Zeitungen glauben konnte. Samantha nickte ihrem Mitarbeiter offensichtlich befriedigt zu und murmelte:
»Gut. Das ist gute Arbeit, Bastien. Danke. Und jetzt hol mir bitte Kyle.«
Bastien war in Hochstimmung. Seine Hochachtung vor Samanthas Kompetenz und Erfahrung machten solche seltenen Pluspunkte, die er bei ihr einheimste, umso wertvoller. Als er Kyle in ihrem Büro verschwinden sah, hörte er, wie sie ihn dazu rief. Eine Dreierkonferenz; noch mehr der Ehre.
»Das sieht tatsächlich nicht gut aus für unsere Heidelberger Freunde«, brummte Kyle, als er Samanthas Zusammenfassung gehört und die Übersichtsgrafik studiert hatte. »Besonders nervt mich, dass ich den Artikel neu schreiben kann, wenn unsere Annahmen stimmen.«
Bastien warf ihm einen ungläubigen Blick zu. Wie konnte der Kerl angesichts einer ernsthaften Malariaepidemie, die bereits auf Europa und womöglich auf die übrige Welt überschwappte, seinem Geschreibsel nachtrauern?
»Die neue Situation dürfte den Stoff für einen noch wesentlich zugkräftigeren Bericht liefern«, bemerkte Samantha trocken. »Auf jeden Fall muss die Sache erhärtet werden.« Sie musterte Kyle mit spöttischem Blick, als sie fortfuhr: »Die Zeit ist wohl gekommen für ein klärendes Gespräch mit der attraktiven Frau Professor Wolff in Heidelberg, was meinst Du, Kyle?«
Ihr Kollege ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Bin schon unterwegs«, antwortete er ruhig und nahm das Dossier an sich. »Das brauche ich natürlich.«
Bastien konnte das breite Grinsen nicht mehr länger unterdrücken, als er Samanthas Büro verließ. Heute war wirklich sein Glückstag. Zeit für seinen Eistee.
Heidelberg
Kyle stieg beim Bismarckplatz aus der Straßenbahn. Er wollte die Gelegenheit benutzen, sich die Luft der Heidelberger Altstadt noch einmal um die Nase wehen zu lassen vor seinem Termin bei Heike Wolff. Der unangenehme Zweck seines Besuchs bei der Frau, die einen so starken Eindruck auf ihn gemacht hatte, bedrückte ihn. Absichtlich war er fast zwei Stunden zu früh angereist, um angemessen Zeit für die vielen angenehmen Erinnerungen an diesen Ort zu haben. Er ließ sich im Strom der Touristen durch die Hauptstraße in Richtung Heiliggeistkirche treiben, vorbei an alten Kneipen, modernen Kleiderboutiquen, Ramschläden und ehrwürdigen historischen Palästen. Er widerstand der Versuchung, sich an einen der einladenden Tische auf der Straße zu setzen und sich eine Tulpe des köstlichen hellen Bockbiers zu gönnen, das er lange vermisst hatte. Stattdessen lockte ihn auf halbem Weg zur Universität der frische Kaffee- und Kuchenduft ins Café Schafheutle, das er von seinem ersten Besuch in dieser Stadt kannte. An der mit Bergen von Gebäck belegten Ladentheke vorbei schlenderte er in den hinteren Teil des Lokals, von wo man Zugang zum
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