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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Verbindungsperson, von der Norman Stromberg sprach, nicht wahr?«
    Michael warf ihr einen langen, schwer zu deutenden Blick zu. Dann stand er auf. »Komm«, sagte er und reichte ihr seine Hand. »Ich möchte dir etwas zeigen.«
    Der Keller war größer, als man bei einem solchen Haus hätte erwarten können. Er schien zusätzlich zur Fläche des Hauses noch die Garage und einen Teil des Gartens zu umfassen. Der zentrale Raum war riesig, etwa sechzig Quadratmeter groß, mit einer Deckenhöhe von annähernd zwei Meter fünfzig. Kleiner hätte er auch nicht sein dürfen. Dicht an dicht standen Bücherregale, die auf den ersten Blick so ziemlich jedes wichtige Fachbuch enthielten, das jemals zum Thema Alte Geschichte, frühzeitliche Kunst und Archäologie geschrieben worden war. Einen besonderen Platz nahmen dabei die Bücher über die Bronzezeit und die Besiedelung des Harzes ein. Hannah überflog beim Vorübergehen die einzelnen Bände und pfiff durch die Zähne. Es mochten an die zehntausend Bücher sein, die Michael hier gesammelt hatte, einige, wie es schien, sehr selten und kostbar. Ein Vermögen. »Beeindruckt?« Michael schenkte Hannah ein verschwörerisches Lächeln. »In diesem Raum fühle ich mich am wohlsten. Sogar Norman beneidet mich um diese Bibliothek.« »Dann ist es also wahr.«
    »Ich habe dir versprochen, ehrlich zu sein. Ja, ich bin Strombergs Kontaktmann. Ich bin derjenige, der ihn mit Informationen zur Himmelsscheibe versorgt. Dabei war er es, der den Kontakt hergestellt hat. Mir ging es damals ziemlich schlecht.
    Ich wusste nicht, was ich machen wollte und was aus mir werden sollte. Mir war nur klar, dass ich wegmusste. Weg aus dieser Gegend, weg von meinen Freunden und meiner Familie.«
    »Nur zu verständlich, nach dem, was dir und deinen Freunden widerfahren ist.«
    »Dann bist du also bereits im Bilde? Umso besser, das erleichtert mein Herz. Ich wollte alles hinter mir lassen und ein neues Leben beginnen. Etwa ein Jahr lang war ich kreuz und quer durch die Welt gegondelt, als er mich ansprach. Ich war damals in Rio de Janeiro und schlug mich als Taxifahrer durch. Er lud mich zu sich nach Washington ein, und wir hatten ein sehr langes und intensives Gespräch. Er schien alles über mich zu wissen. Alles über meine Entführung, die Hintergründe und die Leute, die uns das angetan hatten. Er versorgte mich mit allem, wonach mein hungriges Herz damals verlangte, einschließlich dem Angebot, mein Studium zu finanzieren und mir die Rückkehr nach Deutschland zu ermöglichen.« »Wie selbstlos.«
    »Natürlich nicht selbstlos. Wir reden hier von Norman Stromberg. Was ihn an mir interessierte, war meine Beschreibung vom Inneren des Berges. Die Beschreibung der Zeremonie. Insbesondere der Opfergaben und Kultgegenstände, die ich gesehen hatte. Es war der Schatz, auf den er es abgesehen hatte und den er immer noch will. Mir hingegen geht es darum, diejenigen zu bestrafen, die damals ihr Unwesen getrieben haben, und sie daran zu hindern, noch mehr Unheil anzurichten. Die Entdeckung der Himmelsscheibe hat der Suche neuen Auftrieb gegeben. Wir stehen kurz davor, das Geheimnis zu lüften.«
    »Das also war der Grund, warum du mich angesprochen hast? Warum du mit mir geflirtet hast und mit mir ins Bett gestiegen bist?« Ein zynisches Lachen kam über Hannahs Lippen. »Und dann deine Heuchelei bei unserer Bergwanderung, wie überrascht du getan hast, als ich von der Scheibe erzählt habe. Mein Gott, was für eine schauspielerische Glanzleistung. Und alles nur, um an die Himmelsscheibe zu kommen.« Michael schüttelte den Kopf. »Das ist nicht wahr. Zugegeben, mein Erstaunen über deinen Job war gespielt. Wie hätte ich sonst den Kontakt zu dir herstellen sollen? Mich als intimen Kenner der Materie outen, als jemanden, der dir nachstellt, weil er ein berufliches Interesse an dir hat? Ich wollte dich kennenlernen, Hannah, dich als Menschen erleben. Von Norman wusste ich über deine Vergangenheit Bescheid. Ich glaubte eine verwandte Seele in dir entdeckt zu haben. Vom ersten Tag an wusste ich, dass ich recht hatte. Wir beide sind Außenseiter, Menschen, die ohne Netz und doppelten Boden leben. Wir haben wenig Freunde, das Verhältnis zu unseren Familien ist getrübt, und beide haben wir uns mit Haut und Haar der Geschichte verschrieben. Du bist ein Einzelgänger, Hannah, genau wie ich. Du bist einsam, verletzlich und wunderschön. Glaub mir, es ist mir sehr ernst mit dem, was ich sage.« Eine Pause entstand.

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