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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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hüfthohen Findlinge und öffnete die Verschlüsse. Dann zog sie ihre weißen Stoffhandschuhe über und entfernte die schützende Luftpolsterfolie. Die Himmelsscheibe lag nun offen unter dem Himmel. »Der Augenblick der Wahrheit«, sagte John. Der Mond zauberte ein geheimnisvolles Licht auf die metallische Oberfläche. Sterne spiegelten sich auf den Goldapplikationen, während die oxidierte Bronze in tausend Schattierungen schimmerte. Die Scheibe sah auf einmal völlig anders aus als unter dem kalten Licht der Laborlampen. Wie lange mochte es her sein, dass sie das letzte Mal so unter dem nächtlichen Firmament gelegen hatte? Dreitausendsechshundert Jahre?
    Hannahs Augen wanderten über die winzigen Erhebungen, die kleinen Risse und goldenen Einlegearbeiten. Die Zeit schien stillzustehen. Kein Laut war zu hören. Selbst der Wind schien den Atem anzuhalten.
    Sie spürte eine Erregung, die bis in die Fingerspitzen kribbelte. Kam es ihr nur so vor, oder leuchtete die Scheibe intensiver als zuvor? Besonders der eine Goldpunkt im oberen Drittel der Plejaden stach unnatürlich hell heraus. Und was war das für ein merkwürdig geschwungenes Symbol, das sie dort zu sehen glaubte? Sie wollte sich die Augen reiben, doch in diesem Augenblick hörte sie, wie Cynthia einen überraschten Laut ausstieß.
    Mit dem Finger deutete sie auf die seltsame Form. »Seht ihr das?«
    »Unglaublich«, flüsterte Karl. »Da leuchtet etwas. Ist das eine Schlange? Der Stern darüber sieht fast aus wie ihr Auge.« »Mein Gott, ihr habt recht«, sagte John. »Das war vorher noch nicht da. Sieht wirklich aus wie eine Schlange.« Hannah, die glaubte, sich getäuscht zu haben, betrachtete das Symbol aus jedem Blickwinkel. Kein Zweifel, das Muster hob sich deutlich vom Untergrund ab. »Ich verstehe das nicht«, murmelte sie und blickte zum Mond empor. Das Licht war so hell, dass sie die Augen zusammenkneifen musste. »Eigentlich ist das unmöglich.« »Wieso?«
    »Wir haben die Scheibe verschiedenster Strahlung ausgesetzt, nie ist uns irgendein Symbol oder eine Markierung aufgefallen. Das dürfte eigentlich gar nicht da sein.« »Und doch ist es so«, sagte Michael. »Wir alle können es sehen.« Ein triumphierendes Lächeln lag auf seinem Gesicht, als er die Teammitglieder der Reihe nach anblickte. »Ich hätte niemals zu hoffen gewagt, dass das Muster so klar hervortreten würde. Und vor allem so eindeutig.«
    »Das klingt ja, als hättest du eine solche Reaktion erwartet«, sagte Hannah. »Was genau meinst du mit eindeutig?« »Damit meine ich, dass ich dieses Zeichen schon einmal gesehen habe. Und du auch, Hannah.« »Was? Wo denn?«
    »Erinnerst du dich an unseren kleinen Ausflug in die Höhle?« »Wie könnte ich den vergessen?« Sie versuchte sich zu erinnern. Der seltsame Raum - die Gravuren entlang der Wände. Langsam dämmerte es ihr. »Fafnirs Hort«, flüsterte sie. »Die Schlange.«
    »Schlange?«, fragte John. »Ich verstehe kein Wort.« Statt einer Antwort griff Michael in die Innentasche seiner Jacke. Er holte einen sorgfältig gefalteten Zettel heraus, auf dem allerlei Symbole zu sehen waren. Echsen, Drachen, Streitwagen, Schwerter, Luren und Kelche, daneben allerlei Fabelwesen, die Hannah noch nie zuvor gesehen hatte. Ergänzt wurden die Bilder durch Reihen von Zahlen. Das Ganze erinnerte an einen kryptischen Verschlüsselungscode. »Das, meine Freunde, ist der Schlüssel.« Michaels Stimme schwang vor Erregung. »Ich habe euch ja bereits erzählt, dass jeder Stern auf der Scheibe einem bestimmten Punkt auf der Landkarte entspricht. Es handelt sich dabei um Energiepunkte, die für die Priester eine besondere Bedeutung hatten. Geheime Orte, an denen Opfer gebracht und Beschwörungen abgehalten wurden. Ich habe alle diese Punkte besucht. Überall fanden sich Markierungen. Ritzungen, Gravuren, kleine Symbole. Die Verwitterung hat sie beinahe bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Hätte ich nicht gezielt danach gesucht, wären sie mir nicht aufgefallen. Da ich aber wusste, wonach ich suchte, war es kein Problem. Hier sind sie.« Er hielt das Blatt in die Höhe. »Zweiunddreißig Symbole für zweiunddreißig Energiepunkte. Die Zahlen daneben stehen für die genauen Ortsangaben, unterteilt in Längen- und Breitengrade, Minuten und Sekunden. Jedem geheimen Ort steht ein besonderes Symbol gegenüber. Den sieben Punkten hier auf dem Brocken kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.« Er deutete auf sein Blatt. »Während die anderen Punkte durch

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