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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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aus. »Ida.« Er deutete auf den Eingang. Die Tür öffnete sich, und heraus trat Treptow in Begleitung eines Sicherheitsmannes. Der Polizeipräsident war ein gertenschlanker, großgewachsener Mann, dessen Gesicht von einer Brille und zwei stechend blauen Augen beherrscht wurde. Sein Ausdruck war alles andere als freundlich. Er sah sich um, dann schickte er seinen Bodyguard zurück ins Gebäude und ging auf die Kommissarin zu. Als er vor ihr stand, überragte er sie um mehr als Haupteslänge.
    »Frau Benrath«, sagte er mit der für ihn typischen Knappheit. »Sie wollten mich sprechen.«
    Ida schüttelte ihm die Hand. »Danke, dass Sie es einrichten konnten.« Sie holte tief Luft. »Ich bin hier, weil ich Sie dringend ersuchen möchte, die Walpurgisfeierlichkeiten rund um den Berg aufzulösen. Eine Perimetrie von zwanzig Kilometern sollte ausreichen. Betroffen wären die Orte Bad Harzburg, Schierke, Elend, Braunlage, Elbingerode, Wernigerode, Hasserode, Ilsenburg und Drübeck. Das zentrale Fest in Thale könnte stattfinden. Ich weiß, es ist verdammt knapp, aber ich sehe keine andere Möglichkeit.«
    Treptows Gesicht war wie versteinert. »Sind Sie wahnsinnig geworden? Wissen Sie, was Sie da von mir verlangen?« »Ich wäre nicht hier, wenn ich es nicht genau wüsste. Haben Sie meinen Bericht gelesen?« »Habe ich.«
    »Dann wissen Sie über die Hysterie Bescheid, die derzeit dort oben herrscht. Die Dinge geraten außer Kontrolle. Wir haben Fälle von schweren Depressionen und Verfolgungswahn bis hin zu Nervenzusammenbrüchen und Paranoia. Die Gegend ist ein Pulverfass, und es genügt ein Funke, um eine Katastrophe auszulösen.«
    »Haben Sie etwas über den Verbleib von Pechstein herausgefunden?«
    Ida schüttelte den Kopf. »Bisher keine Spur von ihm. Genau wie bei den anderen Fällen. Das Blut im Wald vor Bad Harzburg stammt aber eindeutig von einem der Täter, die schon am Einbruch in Halle beteiligt waren. Zusammen mit Pechstein sind es jetzt drei Vermisste. Alle Entführungen haben mit einer unbekannten Sekte zu tun, und alle drehen sich um den verdammten Berg. Ich möchte Sie noch einmal bitten: Lassen Sie mich den Brocken sperren.« Treptows Blick verfinsterte sich.
    »Nein«, sagte er. »Ich kann aufgrund solcher vagen Verdachtsmomente kein Fest absagen, das zum Jahreshöhepunkt dieser Region gehört. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Als wäre es nicht schon wichtig genug, handelt es sich dieses Jahr auch noch um die 500-Jahr-Feier. Wissen Sie, was die Leute von der Tourismus-Initiative mir erzählen, wenn ihnen dadurch Millionen durch die Lappen gehen? Wissen Sie, wie viel Arbeit und Mühen die lokalen Veranstalter investiert haben? Nein, jetzt ist es zu spät dafür. In einigen Orten wie zum Beispiel Schierke haben die Feierlichkeiten bereits begonnen. Alles ist aufgebaut, und die Menschen drängen sich bereits auf den Straßen. Wollen Sie die alle wieder nach Hause schicken? Wie wollen Sie das anstellen? Das Verkehrschaos würde sich vermutlich bis in die Abendstunden ziehen.« Er schüttelte den Kopf. »Unmöglich.« »Aber ...«
    »Wissen Sie, mit wem ich gerade zu Tisch sitze?« Treptow deutete mit dem Daumen in Richtung Ratskeller. »Der Chef der Staatskanzlei hat heute keine besonders gute Laune. Was glauben Sie, was der mir sagt, wenn ich mit der Botschaft zurückkehre, dass Sie vorhaben, Walpurgis in letzter Sekunde ausfallen zu lassen? Dass dieser Vorschlag aus Ihrem Munde - dem Mund einer Frau - kommt, macht alles noch schlimmer. Seine Gattin hat ihm vor einer knappen Woche den Laufpass gegeben. Sie können sich vorstellen, dass er auf das weibliche Geschlecht momentan nicht eben gut zu sprechen ist.«
    »Heißt das, Sie weisen mein Anliegen ab, weil ich eine Frau bin?«
    »Aber, aber, liebe Frau Benrath. Sie sollten das nicht persönlich nehmen. Wissen Sie was? Warum erhöhen Sie nicht das Polizeiaufkommen an den Brennpunkten? Lassen Sie die Muskeln spielen, das hilft in den meisten Fällen. Potenzielle Gewalttäter lassen sich durch so etwas leicht abschrecken. Und wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: Lassen Sie sich von der Hysterie nicht anstecken. Wir haben Vollmond, da neigen die Menschen dazu, komische Dinge zu tun. Morgen ist erster Mai, das Wetter soll schön werden, und alle werden sich wieder beruhigen. Wenn alle etwas entspannter sind, werden sich die Vermisstenfälle sicher aufklären. Der Brockengeist verliert seinen Schrecken, Sie werden sehen.« Er blickte auf die Uhr. »So,

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