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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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ich muss wieder zurück. Es tut mir leid, wenn ich Ihnen nicht helfen konnte. Ich hatte gehofft, Sie würden mir neue Informationen bringen, dann hätte ich mir die Sache vielleicht noch einmal überlegt. So aber ist meine Entscheidung unumstößlich.«
    Er schickte sich an zu gehen, blieb dann aber noch einmal kurz stehen. »Es tut mir leid um Ludwig. Sie werden mich doch auf dem Laufenden halten ...?«
    »Sein Verschwinden war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat«, sagte Ida, und ihre Stimme wurde gefährlich leise. »Er ist mein Freund.« Sie spürte, dass der Augenblick gekommen war, in dem ihre Verzweiflung in kalte Wut umschlug.
    Treptow reckte trotzig sein Kinn vor. »Ludwig Pechstein ist auch mein Freund. Ich kenne ihn seit über zwanzig Jahren. Vermutlich länger als Sie. Sie können mir glauben, die Meldung von seinem Verschwinden hat mich hart getroffen.« »Dann verstehe ich nicht, wie Sie so gleichgültig reagieren können. Was mit ihm geschehen ist, haben Sie zu verantworten. Er hätte zu diesem Fall überhaupt nicht hinzugezogen werden dürfen.«
    »Jetzt beruhigen Sie sich mal wieder ...« »Wussten Sie, dass er Dokumente vor mir zurückgehalten hat? Dass er ohne meine Erlaubnis mit Zeugen über den Fall geredet und unbefugte Abhöraktionen durchgeführt hat? Ich habe Ludwig viel zu verdanken, aber in diesem Fall ist er zu weit gegangen. Und Sie auch. Als ob ich nicht schon genug zu tun hätte, muss ich jetzt auch noch zusehen, dass nichts davon an die Öffentlichkeit dringt. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie ich es hasse, den Dreck anderer Leute unter den Teppich zu kehren.«
    »Frau Benrath, Sie vergreifen sich im Ton.« »Ich habe noch gar nicht richtig angefangen. Möchten Sie erleben, wie es ist, wenn man mich reizt? Möchten Sie das?« Der Polizeipräsident wich einen Schritt zurück. »Sie können mich abmahnen oder mir kündigen, das ist mir egal«, fauchte die Kommissarin. »Im Moment geht es nur darum, weiteren Schaden zu vermeiden. Was ist? Kann ich jetzt auf Ihre Mithilfe zählen oder nicht?«
    Treptow sagte kein Wort. Mit zornrotem Gesicht blieb er noch einige Sekunden stehen, dann wandte er sich um und verschwand wieder im Ratskeller. »Scheiße!«
    Ida trat nach einem Stein, der vor ihr auf dem Gehweg lag. Am liebsten hätte sie auch etwas zerbrochen, aber es war nichts Greifbares in der Nähe. Wutentbrannt ging sie zurück zu ihrem Auto.
    Sie bemerkte Steffen erst, als sie direkt vor ihm stand. »Was hat er gesagt?«
    Ida vergrub die Hände in ihren Hosentaschen. »Wenn ich Pech habe, bin ich morgen meinen Job los.« Mit einem knappen Blick aus dem Augenwinkel fügte sie hinzu: »Es ist so, wie es immer ist, Steffen. Wenn's brenzlig wird, bist du ganz auf dich allein gestellt.«
    Es war Nachmittag, als Hannahs Team auf der Brockenspitze ankam. Die Vorbereitungen für die Veranstaltung im Brockenhotel liefen auf vollen Touren. Lastwagen waren vorgefahren, die die Musikanlage für die Rockoper transportierten, und im Hotel wimmelte es vor Technikern und Hilfspersonal. Nur noch wenige Stunden, dann würden die ersten Gäste eintreffen.
    Alle hatten sie sich etwas zu essen besorgt und sich dann etwas seitlich auf einer Holzbank niedergelassen. Dort warteten sie und beobachteten, wie die Dämmerung sich herabsenkte und die Welt unter ihnen in Dunkelheit bettete. Ringsumher flammten Lichter auf, wie ein Meer von Glühwürmchen. Der Vollmond war bereits als volle Scheibe hinter dem Horizont aufgestiegen, und erste Sterne begannen am Firmament zu leuchten. Die Sonne war hinter den Wolken im Westen verschwunden. Das bernsteinfarbene Lichtspiel wirkte wie ein letzter Gruß auf dem gläsernen Giebel des Brockenhotels und ließ ihn in einem Feuerwerk aus Rot- und Gelbtönen aufflammen. Eine sanfte Brise strich über die ausgedorrten Gräser und struppigen Heidebüsche.
    Hannah begann sich zu fragen, ob das wirklich derselbe Berg war, auf dem sie vor einer Woche gewesen war, mit seinen eiskalten Temperaturen, dem immerwährenden Wind und den Horden von Tagesausflüglern. Wie anders heute alles war.
    Michael warf einen prüfenden Blick in den Himmel. »Ich denke, jetzt könnte es klappen«, sagte er. »Es ist dunkel genug.« Nur langsam kam Bewegung in die Gruppe. Alle standen auf, gähnten und streckten ihre Glieder. Hannah war so erfüllt vom Zauber des Abends, dass sie fast vergessen hatte, weshalb sie eigentlich hier waren. Sie nahm den Koffer, legte ihn auf einen der

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