Necromancer - The Death of the Necromancer
konnte.
Das kam davon, wenn man seinen Feind zu gut kannte. Sie hatte all die Geschichten von Nicholas über Ronsarde und Halle bei Edouards Prozess gehört, sie hatte Halles Berichte über die Fälle gelesen, die die beiden vor diesem Wendepunkt untersucht hatten, und auch die über die späteren Fälle. Wie oft hatte sie Ronsarde und Halle ausgetrickst, hatte Verkleidungen getragen oder entworfen, um sie hinters Licht zu führen, hatte an Plänen mitgewirkt, um sie zu täuschen. Die Nähe zu ihnen war zu groß geworden. Meine Güte, eigentlich sind sie wie Kollegen für mich. Sie war erschrocken, als sie Halle im Leichenschauhaus der Stadt begegnet war, doch jetzt kam es ihr ganz natürlich vor, hier mit ihm zu sprechen. Und ich hab Nicholas noch beschuldigt, dass er nicht vorsichtig genug ist; dieser Mann könnte mich für den Rest meines Lebens ins Gefängnis bringen. Ihr Blick wanderte zu der dunklen Steinmauer, die am Ende der schmalen Gasse aufragte. Nein, das nicht. Eher würde sie sich eine Kugel in den Kopf jagen.
Halle fixierte sie mit einem fast flehenden Ausdruck. »Wenn wir hineinwollen, dann ist im Augenblick die ein - zige Möglichkeit das Gefängnisspital. Ich habe dort schon öfter mit den Ärzten zusammengearbeitet. Es gibt Wachen, aber ich kann Sie ohne Gewaltanwendung an ihnen vorbeischleusen …«
»Es hat keine Gewalt gegeben, nie, außer in Notwehr«, unterbrach ihn Cusard. »Das war alles dieser Zauberer, von dem keiner weiß, wer er is. Drei-, viermal wollte er uns jetzt schon umbringen mit diesen Ghulen, außerdem hat er auch die ganzen Leute in dem Haus auf dem Gewissen …«
Madeline hob die Hand, um ihn zu stoppen. Dann wandte sie sich wieder an Halle: »Sie müssen mir Ihr Wort geben,
dass kein Beamter aus der Präfektur erfährt, was wir im Verlauf unserer Zusammenarbeit sagen oder tun.«
»Abgemacht«, antwortete Halle sofort. »Aber dafür müssen Sie mir Ihr Wort geben, dass bei unserer Unternehmung weder Konstabler noch Zivilisten zu Schaden kommen oder gar getötet werden.«
Sie zögerte. »Das kann ich Ihnen nicht ohne Einschränkungen versprechen. Wenn jemand auf mich das Feuer eröffnet, schieße ich natürlich zurück. Aber ich werde nicht einfach zum Spaß jemanden umbringen, wenn Sie das meinen.«
Halle stieß die Luft aus. »Einverstanden. Ich erwarte nicht, dass Sie sich wegen meiner Bedenken erschießen lassen.«
Made line akzeptierte seine Worte mit einem Nicken und wandte sich an Cusard. »Ich brauche Sprengstoff. Hol mir bitte welchen.«
Lamane wirkte, als würde er gleich in Ohnmacht fallen. Cusard gaffte sie an. »Seit wann weißt du, wie man eine Ladung anbringt?«
»Du wirst es mir zeigen, bevor wir aufbrechen.«
Cusard schloss die Augen, wohl um ein Stoßgebet zum Himmel zu schicken. »O nein.«
Auch Halle wirkte verunsichert. »Sprengstoff?«
»Wir kommen zwar ohne Gewaltanwendung rein, wie Sie es ausgedrückt haben, aber wir kommen nicht raus, nicht, wenn Ronsarde als Verbrecher gesucht wird. Wir können ihn nicht einfach in eine Wärteruniform stecken. Viel zu viele Konstabler kennen sein Gesicht oder haben sogar mit ihm gearbeitet. Wir müssen uns unseren eigenen Ausgang schaffen.«
»Junge Frau, Ihre Einschätzung unserer Lage ist sehr …«, Halle schluckte, »zutreffend.«
Madeline begriff, dass es auch ihm nicht leichtfallen konnte, ihr zu vertrauen. Dabei weiß ich viel mehr über ihn als er über mich. Er kann nicht sicher sein, ob ich ein Ehrgefühl im Leib habe, ob ich nicht mein Wort breche und ihn einfach über den Haufen schieße, sobald ich ihn nicht mehr brauche. Es war sehr mutig von ihm, sie in Cusards und Lamanes Gegenwart anzusprechen. Sie wusste, dass sie nur Einbrecher und keine Mörder waren, er dagegen nicht.
»Wir haben keine Zeit zu verlieren«, stellte er fest.
Sie nickte Cusard zu. »Du hast es gehört. Beeil dich.«
Fluchend stampfte Cusard auf und lief los.
»Sie werden Ihre Entscheidung nicht bereuen.« Großer Ernst lag in Halles Augen.
Madeline nickte zerstreut und machte sich daran, die Litzen von ihrer geborgten Konstablerjacke zu reißen. Ich bereue es jetzt schon. Wenn das schiefgeht und wir alle verhaftet werden, dann muss ich mir nicht erst die Kugel geben, weil mich Nicholas sowieso erwürgt. Und gerechterweise dürfte ich mich nicht mal wehren.
Nach einiger Zeit konnte kein Zweifel mehr daran bestehen, dass jemand dort unten in den dunklen Korridoren des Gefängnisses Jagd auf sie
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