Necromancer - The Death of the Necromancer
glauben, wenn auch widerstrebend. Aber es gab keine Beweise. Der junge Zauberer war durch Magie zum Selbstmord
gezwungen worden. Und nach den schwarzen Rußspuren an seinen Händen zu urteilen, war er auch dazu gezwungen worden, den Kreis zu zeichnen. Aber war das einfaches Zweckdenken oder eher Detailverliebtheit? Sogar ein Eimer voll Ruß stand in der Ecke. Werden sie bei der Durchsuchung seiner Zimmer auch Schriften und Notizen über Nekromantie entdecken? Offenbar hatte ihr Gegner dazugelernt.
Ronsarde war zu den gleichen Schlüssen gelangt. »Hier finden wir nichts Brauchbares.« Er setzte den Stock auf, um sich hochzustemmen, und wandte sich zur Tür. Nicholas trat zur Seite und reichte die Lampe an den nächsten Konstabler weiter.
In dem Moment war auf der anderen Seite des Ballsaals ein Aufschrei zu hören, und die alte Frau, die draußen von Halle und seinem Kollegen versorgt worden war, stürzte auf sie zu. Mit rotem, tränenüberströmtem Gesicht ächzte sie: »So was hätte er nie getan, nie im Leben, das schwöre ich! Sie müssen mir glauben …«
Ronsarde nahm sie an der Hand und zog sie zur Seite, ehe sie genauer in den Raum schauen konnte. Nicholas schob schnell die Türen zu, und der Sekretär Viarn schloss hastig ab.
»Er hat es nicht … er hat es nicht …« Die Frau gab einen erstickten Laut von sich.
»Ich glaube Ihnen.« Ronsarde sprach mit fester Stimme. »Gehen Sie nach Hause und trauern Sie um ihn und die anderen, in der Gewissheit, dass die Beschuldigungen gegen ihn gemeine Lügen sind und seine Unschuld bald ans Licht kommen wird.«
Die Frau starrte ihn an, als könnte sie das Gehörte kaum fassen, doch ihr Atem beruhigte sich, und die Hysterie wich
aus ihren Augen. Als der andere Arzt kam, um sie wegzuführen, ging sie ohne Proteste mit, den Blick bis zum letzten Moment auf die geschlossene Tür gerichtet.
Halle, der ihr gefolgt war, trat neben Ronsarde. »Sie war die Haushälterin hier, und der junge Zauberer war ihr Sohn. Er hatte Talent zur Magie, und Lord Chaldome hat ihn auf seine Kosten zum Studieren nach Lodun geschickt. Er wurde gut bezahlt für seine Dienste im Haus, seine Mutter hätte gar nicht mehr arbeiten müssen. Es klingt, als hätte er nicht den geringsten Grund zum Groll gegen die Familie oder die Diener gehabt.«
Nicholas räusperte sich. »Sein Vater …?«
»Daran habe ich auch schon gedacht«, entgegnete Halle ungeduldig. »Sein Vater war Schankkellner in einem Weinlokal der Stadt und ist vor einigen Jahren gestorben. Dass der Junge möglicherweise ein uneheliches Kind von Lord Chaldome war …«
»… ist denkbar unwahrscheinlich«, schloss der Inspektor. Mit finsterem Gesicht schaute er sich im Ballsaal um. »Ich habe die starke Befürchtung, dass diese … Scharade arrangiert wurde, um die Verfolger auf eine falsche Spur zu locken, zumindest so lange, bis der Täter in eine andere Stadt flüchten und dort sein Werk von neuem beginnen kann.«
Nicholas schwieg. Er sah das etwas anders. Um die Verfolger auf eine falsche Spur zu locken, ja, aber nicht, um eine Flucht zu bemänteln. Lord Albier steuerte nun wieder auf sie zu. »Vorsicht, meine Herren.«
Lord Alvier marschierte zielstrebig auf Ronsarde los. »Das hysterische Weib mit Plattitüden zu beruhigen, hilft ihr auch nicht. Man muss den Tatsachen ins Auge …«
»Was ich gesagt habe, entspricht den Tatsachen«, antwortete der Inspektor mit kalter Stimme. »Sie sind derjenige, der sich etwas vormacht. Wenn Sie der einzige Leidtragende wären, würde ich Sie gern Ihren Einbildungen überlassen. Aber das Morden wird weitergehen, wenn nicht hier, dann woanders.«
Nicholas überließ es Ronsarde und Halle, sich mit dem Präsidenten der Präfektur auseinanderzusetzen. Auch Madeline war verschwunden, wie er plötzlich bemerkte, wahrscheinlich um noch den Rest des Hauses auszukundschaften. Er war sich ziemlich sicher, dass sie nichts finden würde.
Möglichst unauffällig nahm Nicholas eine kurze Untersuchung der Toten vor. Die Wunden von zweien ähnelten denen der Leichen im Valent House: herausgerissene Eingeweide und ausgestochene Augen unter zerfetzten, fleckigen Kleidern sowie Abdrücke von Fesseln an Handund Fußgelenken. Der Scheißkerl hat sich einen Mann und eine Frau ausgesucht. Auch eine Art von Gerechtigkeit. Den anderen war einfach die Kehle aufgeschlitzt worden. Nur ein großgewachsener Mann - nach seiner Jacke und der schmutzigen Hose zu urteilen vielleicht einer der Gärtner - war durch
Weitere Kostenlose Bücher