Necromancer - The Death of the Necromancer
du ja endlich.« Reynard stand vor dem Spiegel
und band sich die Krawatte. »Ich hab mich schon gefragt, wo du bleibst. Hast du was entdeckt?«
»Nein, nichts. Wie erwartet. Ist Octave schon da? Und wer sind die anderen Gäste?«
»Octave hab ich nicht gesehen. Doch Madame Everset hat von ihm geredet, als würde sie erwarten, dass er jeden Augenblick aus dem Äther auf uns herniederfährt. Ob das nun bedeutet, dass er schon im Haus ist oder nicht, kann ich dir nicht sagen.« Fluchend riss sich Reynard die Krawatte herunter und schleuderte sie hinter sich. Dann suchte er sich in der offenen Schublade eine neue aus. Nicholas fing das flatternde Stück Tuch auf, bevor es zu Boden fallen konnte. Reynard fuhr fort: »Die anderen Gäste sind die üblichen Kandidaten. Amelind Danyell, diese verrückte Kuh, die ständig diesem Kerl nachläuft, wie heißt er noch, dieser unerfreuliche opiumsüchtige Dichter …«
»Algretto?«
»Genau. Der ist natürlich auch da, zusammen mit seiner Frau, um sich die Danyell vom Hals zu halten. Dann haben wir noch Danyells Begleiter, einen pickeligen jungen Burschen, der mich schon zweimal angemacht hat - dabei könnte ich sein Vater sein, verdammt. Wer noch? Vearde und seine aktuelle Geliebte, die Opernsängerin Ilian Isolde. Und natürlich Count Belennier, der seit seiner Verstrickung in den Naissance-Court-Skandal nicht einmal mehr eine Einladung für einen Salonempfang auf einem sinkenden Schiff bekommen würde.«
Reynard war kurz davor, die nächste Krawatte zu ruinieren. Ungeduldig drehte ihn Nicholas zu sich herum, um den Knoten für ihn zu schlingen. Das war eine hübsche Ansammlung schillernder Gestalten, aber zu einem anderen
Anlass wäre Reynard auch nie eingeladen worden. Schon vor Erlangen seines Offizierspatents in der Garde hatte er sich wegen seines nonchalanten Benehmens einen gewissen Ruf erworben, doch der bei weitem schlimmste Skandal war der, der ihn seine Offiziersstelle gekostet und ihn zu Count Montesqs Feind gemacht hatte.
Reynard hatte damals eine Affäre mit einem jüngeren Offizier, dem Spross einer Adelsfamilie, und zwar gerade zu einer Zeit, als dieser die Verlobung mit einer jungen Frau aus einer noch höher stehenden und viel reicheren Adelsfamilie anstrebte. Montesqs Anwalt Devril, der nebenberuflich als Erpresser tätig war, hatte einen belastenden Brief des jungen Mannes an Reynard erworben, der während der Stationierung seines Regiments auf der Halbinsel Tethari aus Reynards Gepäck entwendet worden war. Der junge Mann ließ sich einschüchtern und bezahlte, bis seine persönlichen Mittel erschöpft waren. Doch Devrils Forderungen gingen immer weiter, bis er den Brief schließlich einen Tag vor der geplanten Hochzeit durch Mittelsmänner publik machen ließ. Angesichts des Skandals und seiner herausgehobenen Stellung, aber vielleicht auch aufgrund der Überzeugung, dass Reynard den Brief Devril zugespielt haben musste, sah sich der junge Mann in einer ausweglosen Situation und nahm sich das Leben. Bei seiner Rückkehr nach Vienne wenig später erfuhr Reynard vom Tod seines Freundes und musste feststellen, dass die meisten Angehörigen der höheren Gesellschaft der Auffassung waren, Reynard habe ihn in den Selbstmord getrieben. Die Empörung war so groß, dass sein vorgesetzter Offizier irgendwelche falschen Anschuldigungen gegen ihn erhob, um ihn aus der Garde jagen zu können.
Es gab noch eine Fortsetzung der Geschichte, die nur Nicholas und Made line bekannt war. Reynard spürte den gewissenlosen Offiziersburschen auf, der den Brief gestohlen hatte, und tötete ihn, nachdem er ihm Devrils Namen entrissen hatte.
Als Montesqs Leute herausfanden, dass Reynard Devril auf der Spur war, wollten sie ihn eliminieren. Doch auch Nicholas hatte die Vorgänge verfolgt und konnte Reynard noch rechtzeitig warnen. Danach befreiten sie die Welt gemeinsam von dem Erpresser Devril, und seither arbeitete Reynard mit Nicholas zusammen.
Nicholas vollendete den Knoten, und Reynard begutachtete das Ergebnis im Spiegel. »Das hast du schön gemacht. Hast du das beim Studium in Lodun gelernt?«
»In Lodun lernt man alles.« Die Namen der Gäste waren Nicholas alle bekannt, mit einer Ausnahme. »Dieser Vearde, weißt du, wer das ist?«
»Ja, ich bin ihm schon mehrmals begegnet. Aber ich kenne ihn nicht näher.« Reynard drehte sich um und musterte Nicholas mit einem angedeuteten Lächeln. »Glaubst du, dass er in Wirklichkeit der verkleidete Ronsarde ist?«
»Nein,
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