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Necromancer - The Death of the Necromancer

Titel: Necromancer - The Death of the Necromancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Wells
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weiter zu steigern. Er lieh seinen Arm der Gastgeberin Madame Everset,
die sich in einen Paletot gehüllt und einen Schal um den Kopf gewickelt hatte und damit weitaus größere Vernunft bewies als die meisten ihrer Gäste. Möglicherweise galt ihr Interesse tatsächlich mehr der Séance als den Leuten, die sie dadurch angelockt hatte. Nicholas fragte sich, ob Octave auch sie um ein Andenken eines toten Verwandten gebeten hatte.
    Dahinter folgte Algrettos leidgeprüfte Gattin, eine eher unscheinbare Person in einem dezenten Kleid unter einem langen Schal, die von Reynard eskortiert wurde. Er war höflich um sie bemüht, wie es sich für eine Dame ihres Standes gehörte, obwohl ihn einige aus der Gruppe mit ausgelassenen Zwischenrufen abzulenken versuchten. Nicholas lächelte in sich hinein. Obwohl er immer das Gegenteil behauptete, war Reynard durch und durch ein Gentleman.
    Den Abschluss des Zuges bildete Octave.
    Er trug einen schlichten dunklen Anzug, aber diesmal ohne den auffälligen Opernumhang. Falls er sich an Reynard erinnerte, dann hätte man ihm das wohl anmerken müssen. Der Mann, dem sie vergangene Nacht in Coldcourt begegnet waren, hätte sich bestimmt verraten, doch Nicholas wusste nicht, wie genau die Persönlichkeit des Golems der des echten Octave entsprochen hatte.
    Er schien tatsächlich der Letzte der Gruppe zu sein. Everset hatte Reynard bereits wissen lassen, dass er nicht an der Veranstaltung teilzunehmen gedachte. Auch Vearde hatte sich wohl absentiert, und Ilian Isolde konnte es sich als Opernsängerin natürlich nicht leisten, ihre Kehle der Nachtluft auszusetzen.
    Die Ersten erreichten den Tempel, und Amelind Danyell rief fröhlich: »Spielt es denn eine Rolle, wo wir sitzen, meine Liebe?«

    Madame Everset blickte kurz nach hinten zu Octave, der jedoch nicht reagierte. So antwortete sie: »Nein, es spielt keine Rolle.«
    Zwei Lakaien hatten sich in kurzer Entfernung auf der Terrasse postiert, um bei Bedarf herbeigerufen zu werden. Nach vielem lautem Gerangel und einigen subtilen Manövern vonseiten Belenniers hatten die Gäste schließlich ihre Plätze gefunden. Octave kam heran und blieb zwischen den Eingangssäulen stehen, ein leises, verächtliches Lächeln auf dem bleichen Gesicht. Sein Äußeres hatte etwas leicht Anrüchiges an sich: ausgefranste Manschetten, eine Krawatte, deren grauer Ton im Lampenschein deutlich auszumachen war. Nicholas fragte sich, ob diese Wirkung beabsichtigt war. Octave strich sich über den ungepflegten Bart und starrte auf die Leute am Tisch.
    Erst als alle saßen, betrat er den Tempel. Die meisten Gäste schienen ihn als bezahlten Unterhaltungskünstler zu betrachten und plauderten ungehemmt weiter. Belennier flirtete mit Danyell, die ihrerseits gegen Algretto stichelte, weil er sie links liegen ließ, Algretto parierte ihre Spitzen mit einem selbstgefälligen Lächeln, und Danyells junger Begleiter bemühte sich, überhaupt bei irgendjemandem Beachtung zu finden. Obwohl er sich hinter der wuchtigen Urne zusammenkauern musste und ihm die Kälte und Feuchtigkeit der Steinplatten durch die Stiefel drang, erinnerte diese Runde Nicholas wieder einmal daran, dass er diese Art Gesellschaft gerne vermied. Auch sie kannte Jäger, genau wie die Straßen von Riverside, nur dass die Beute hier nicht mit Schlägen niedergestreckt wurde, sondern mit Worten, Gesten, Mienen. Hier gab es keine Verbündeten, nur Feinde, und doch benahmen sich alle so, als wären sie die besten
Freunde. Natürlich war das nichts Neues für Nicholas, doch irgendwie war es ihm immer vorgekommen, als würde sich das alles auf einer anderen Daseinsebene abspielen, die er beobachten, aber nicht betreten konnte. Nicht dass jemand, der halbwegs bei Trost war, sich so etwas wünschen würde. Er bevorzugte eine Welt, in der Feinde Feinde und in der Kriege Kriege waren, eine Welt, in der man die Schläge am Körper spürte.
    Madame Everset schien hin und her gerissen zwischen der Verpflichtung gegenüber ihren Gästen und der Aufmerksamkeit für Octave. Es war deutlich zu sehen, dass sie den Beginn der Séance sehnlichst herbeiwünschte. Auch Reynard behielt Octave im Auge, aber auf viel unauffälli - gere Weise, während er leichte Konversation mit Madame Algretto machte.
    Dann, die Stimme ein wenig zu hoch vor Anspannung, rief Madame Everset unvermittelt: »Fangen wir jetzt an, Dr. Octave?«
    Die anderen blickten sie an, zum Teil verblüfft, zum Teil amüsiert.
    »Wir fangen an, Madame Everset.«

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