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Necromancer - The Death of the Necromancer

Titel: Necromancer - The Death of the Necromancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Wells
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Octave stand jetzt hinter seinem leeren Stuhl mit dem Rücken zu der weiten Kluft zwischen den Säulen, die den Eingang zum Tempel bildete.
    Wahrscheinlich gekränkt darüber, dass er plötzlich nicht mehr im Mittelpunkt stand, wandte sich Algretto mit gespielter Beiläufigkeit an den Spiritisten. »Ich persönlich glaube nicht an solche Fantastereien, Doktor. Wollen Sie wirklich behaupten, dass Sie den verstorbenen Bruder unserer werten Gastgeberin hier unter uns erscheinen lassen können?«

    Madame Everset zuckte zusammen. Nicholas nahm sich vor, der Geschichte dieses toten Bruders nachzugehen. Ihr Gesicht glänzte weiß im Lampenlicht, und die Haut unter ihren Augen war gerötet vor Mattigkeit. Bisher hatte Nicholas diese Anzeichen von Erschöpfung auf die Ehe mit Captain Everset zurückgeführt, doch nun wurde ihm klar, dass die Frau noch andere Sorgen hatte. Inzwischen schien es ihm ziemlich unwahrscheinlich, dass sie an Octave herangetreten war, weil sie bei einer Salongesellschaft mit einer Sensation aufwarten wollte. Und er fragte sich, ob nicht sogar umgekehrt Octave an sie herangetreten war.
    »Glaube ist nicht nötig.« Die Stimme des Spiritisten war fast die gleiche wie die des Golems, höchstens eine Spur tiefer. Wieder fragte sich Nicholas, ob dieser Mann vielleicht eine völlig andere Persönlichkeit hatte als der Golem. Keinesfalls durfte er ihn an den Reaktionen dieses Wesens messen.
    »Ach?« Algretto lächelte. Offensichtlich machte es ihm Spaß, sich über Octave zu mokieren und seine ungeduldig wartende Gastgeberin zappeln zu lassen. »Und ich dachte immer, das ist eine wesentliche Voraussetzung für solche … Veranstaltungen.«
    »Dieser Gedanke war unkorrekt.« Octave ließ sich nicht aus der Fassung bringen. Er war sich seiner Sache sicher. Er hatte die Hand in der Jackentasche, und in seiner ganzen Haltung lag etwas Unnatürliches. Nicholas dachte zunächst an eine Pistole, doch irgendwie konnte er sich nicht vorstellen, dass Octave eine Waffe bei sich trug. Zumindest keine Waffe dieser Art.
    Algretto war es nicht gewohnt, derart unbekümmert abgeschmettert zu werden. Seine Augen wurden zu schmalen
Schlitzen. »Wenn Sie es so ausdrücken wollen. Allerdings finde ich Ihren Ton beleidigend, Doktor. Und mich würde schon interessieren, wie Sie zu Ihrem Titel gekommen sind.«
    Madame Algretto stieß einen hörbaren Seufzer aus. Amelind Danyell kicherte, und Belennier wirkte gelangweilt. Madame Everset versuchte die Wogen zu glätten. »Das war doch gewiss nicht böse …«
    »Ehrlich, Algretto.« Reynard schaffte es, zugleich amüsiert und angeödet zu klingen. »Ihr Fachgebiet ist doch die Dichtung. Warum bleiben Sie nicht einfach dabei und lassen Dr. Octave fortfahren?«
    Algrettos Blick verschleierte sich. Es lag nichts unmit - telbar Beleidigendes in den Worten, aber Reynard war ein Meister der Anspielung. »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie zu denen gehören, die sich für Dichtung oder für diesen spiritistischen Unsinn interessieren, Morane.«
    »Ach, von Dichtung habe ich keine Ahnung, aber ich weiß, was mir gefällt.«
    »Warum sind Sie dann hier?«
    »Weil ich eingeladen wurde. Das passiert öfter, wissen Sie. Everset und ich, wir sind eng befreundet. Und warum sind Sie hier?«
    Um Octaves Lippen spielte ein Lächeln. Er schien sich an der Auseinandersetzung zu delektieren. Belennier schaltete sich ein. »Meine Herren, hier ist nicht der richtige …«
    Algretto ließ seinen Widersacher nicht aus den Augen. »Vielleicht um der Sache eine dringend nötige Aura künstlerischer Integrität zu verleihen. Aber nach allem, was mir so zu Ohren gekommen ist, haben Sie es wohl nicht so mit Integrität.«

    »Mag sein.« Reynard lächelte sanft. »Und nach allem, was mir über den Vortrag Ihres neuesten Epos beim literarischen Abend von Countess Averae zu Ohren gekommen ist, haben Sie es vor allem mit äffischem Imponiergehabe.«
    Mit einem Fluch sprang Algretto auf und warf dabei seinen Stuhl um.
    Dank den Reflexen des geübten Duellanten war Reynard genauso rasch auf den Beinen. Sein Ellbogen stieß gegen Dr. Octaves Arm, und der Spiritist wankte unwillkürlich einen Schritt zurück. Um sein Gleichgewicht ringend, riss Octave die Hand aus der Tasche.
    Nicholas musste lächeln. Der gute alte Reynard. Nicholas konnte einen kurzen Blick auf den Gegenstand erhaschen, den der Spiritist umklammerte, dann stopfte Octave das Ding hastig wieder zurück.
    »Verzeihen Sie, alter Junge«, sagte Reynard

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