Necromancer - The Death of the Necromancer
und Blätter entgangen wäre, das aus der Richtung einer der alten Eichen kam. Mit einem Hechtsprung wollte er sich in Deckung bringen, doch er stolperte und schlug hin. Keine zwei Meter
weiter plumpste etwas auf den Boden unter dem Baum, geriet ins Straucheln und klammerte sich an einen der dicken unteren Äste.
Das Licht reichte gerade noch, um die Umrisse eines Mannes in Schal und Jägermantel zu erkennen. Nicholas war so verblüfft, dass er automatisch begann: »Verzeihen Sie, aber …« Gleichzeitig kam es von der anderen Seite: »Tut mir leid, ich …«
Beide verstummten und starrten sich erstaunt und ein wenig verlegen an. Schließlich murmelte der andere: »Leben Sie wohl«, und hastete davon zur äußeren Gartenmauer.
Bestürzt rappelte sich Nicholas auf und wankte hinüber in den Küchengarten, wo er relativ geschützt war. Er kannte diese Stimme! Er kannte sie von Edouards Prozess vor zehn Jahren, als sie im Zeugenstand ausgesagt hatte, ruhig, selbstsicher, vernichtend. Er kannte sie von der Anhörung, die zur Aufhebung des Urteils führte, mehrere Monate zu spät, um Edouards Leben zu retten: genauso ruhig, obwohl sie einen tödlichen Fehler eingestehen musste. Er kannte sie von all den Gelegenheiten, bei denen er mit knapper Not entronnen war, und von anderen Prozessen, bei denen er sich sorgfältig verkleidet hatte.
Er hatte schon öfter mit Inspektor Ronsarde geredet, aber es war das erste Mal, seit er als junger Mann aus Lodun zurückgekehrt war, dass er mit seiner wahren Stimme gesprochen hatte.
In der allgemeinen Verwirrung hatte Nicholas keine Mühe, zurück ins Haus zu gelangen. Überall rannten Diener herum, und er musste nur so tun, als wäre er gerufen worden.
Die Gäste hatten sich im größten Salon versammelt, dessen mächtige Erkerfenster an der Vorderseite des Hauses auf die Grotte, den abgesenkten Garten und den Triumphbogen wiesen. Alles war von bunten Lampen beleuchtet und wirkte in diesem Licht wie eine Szenerie aus einer anderen Welt.
Der Raum war ganz in Gelb gehalten - gelbe Brokatbehänge an den Wänden und am Kaminschirm, gelbe Seidenpolsterung auf den Sofas und Sesseln, gelbe Roben an den Nymphen der Waldszene in dem gemalten Relief an der hohen Decke. Gäste und Diener hasteten wild durcheinander. Madame Everset, deren bleiches Gesicht durch den Schock einen bläulichen Ton angenommen hatte, lag wie eine Tote auf einen Diwan gebreitet. Eine Dienstmagd beugte sich über sie und versuchte, ihr einen Schluck Brandy einzuflößen. Verunsichert und hilflos stand Everset daneben.
Reynard redete auf ihn ein. »Verdammt, Mann, du musst die Diener zum Suchen rausschicken.«
Algretto lief ungeduldig auf und ab. Amelind Danyell war auf einem Sofa zusammengesunken, und um sie herum herrschte hektische Betriebsamkeit, da sich ihr Begleiter, die Opernsängerin Isolde und mehrere Dienstmägde gleichzeitig um sie bemühten. Belennier war anscheinend gerade dabei, einem großen, dunkelhaarigen Mann, bei dem es sich nur um Vearde handeln konnte, die Vorfälle zu schildern. Auf einem Tisch waren Weingläser und die verstreuten Karten eines unterbrochenen Spiels zu sehen. Trotzdem war dies noch lange kein Beweis dafür, dass sich Vearde, Everset und Isolde tatsächlich damit beschäftigt hatten, während die anderen an der Séance teilnahmen. In der Zeit, die ihnen hier noch blieb, musste Nicholas die Diener aushorchen.
Er war nicht bereit, die Möglichkeit von Komplizen auszuschließen. Noch nicht.
Octave war nirgends zu entdecken.
Everset schüttelte ratlos den Kopf. »Warum denn? Wonach sollen sie denn suchen?«
Reynard starrte ihn an. »Nach Komplizen natürlich. Der Mistkerl hat deine Frau zu Tode erschreckt. Du musst rausfinden, ob diese … diese Männer Spießgesellen von Octave waren … oder was anderes.«
Reynard , dachte Nicholas leicht belustigt, du bist schon viel zu lange mit mir zusammen. Das färbt allmählich auf dich ab.
»Wozu? Der Schweinehund hat sein Honorar einkassiert, und jetzt fährt er. Gerade wenden sie im Hof seine Kutsche.«
»Er fährt?« Die unerwartete Schützenhilfe für Reynard kam von Algretto. »Das ist wirklich verdächtig, Everset. Halten Sie ihn lieber auf, solange Sie nicht Ihr Tafelsilber nachgezählt haben.«
Gerade wenden sie im Hof seine Kutsche. Nicholas schlich sich bereits aus dem Salon. Er verschwand durch die nächste Dienstbotentür und kramte in seiner Innentasche nach Notizpapier, während er in den zweiten Stock
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