Necromancer - The Death of the Necromancer
hatte, hatte also zum Keller unter dem Haus eines früheren Hofzauberers gehört. Hatte der alte Duke of Mondollot von dieser Kammer gewusst? Hatte er die Tür vielleicht öffnen und wieder versiegeln lassen, nachdem er gesehen hatte, was sich dahinter verbarg? Das hatte bestimmt auch Octave erfahren wollen, als er die Duchess um die Erlaubnis bat, die Verbindung zu ihrem verstorbenen Mann herzustellen. Irgendwas war in dieser Kammer, und Octaves Ghule haben es mitgenommen. Aber es war nicht das Richtige. Entweder wollte er was anderes, oder es hat was gefehlt. Einer der größten Nutzen der Nekromantie war das Erkennen geheimer Dinge, sei es aus der Vergangenheit oder Gegenwart. Auch mit anderen Mitteln waren Zauberer in der Lage, Verborgenes zu entdecken, doch keines war so einfach wie das der Nekromantie. Außerdem lehrte die
Nekromantie auch Methoden zur Schaffung von Trugbildern, die man mit den Hände anfassen konnte, und zur Beeinflussung des Bewusstseins und des Willens von Menschen, Tieren und sogar Geistern.
Zuletzt stapelte Nicholas alle Blätter und die Notizbücher auf einen Haufen und schloss sie in eine Geheimschublade seines Schreibtischs. Dann schlurfte er müde ins Bad und ins Bett.
Nach nur einer Stunde wachte er wieder auf. Er spürte den Sonnenaufgang hinter den schweren Vorhängen und lauschte auf die Kaminuhr, die fast im Takt seines Herzschlags tickte. Madeline lag in tiefem Schlaf. Ihre Zeit in den überfüllten Quartieren junger Nachwuchsschauspielerinnen hatte sie gegen Nicholas’ unruhiges nächtliches Gezappel völlig abgehärtet. Er musste standhaft den Impuls unterdrücken, sie zu wecken, weil er mit ihr schlafen, reden oder irgendetwas anderes machen wollte, um nicht daran denken zu müssen, dass Octave Edouards Ideen gestohlen hatte. Schließlich stand er in einer Mischung aus Wut und Niedergeschlagenheit auf und stapfte hinunter in die Bibliothek.
Es war ein länglicher Raum im rückwärtigen Teil des Hauses, der vom Boden bis zur Decke von vollen Bücher - regalen gesäumt wurde. Auch auf den gemütlichen Polstersesseln und dem dicken parsischen Teppich, in den Intarsienschränken und im Zitronenholzsekretär türmten sich die Bücher. Bald brauche ich ein größeres Haus . Nicholas’ Blick blieb an der kleinen gerahmten Miniatur auf dem Schreibtisch hängen. Es war das einzige erhaltene Porträt seiner Mutter. Das dazugehörige Medaillon hatte sie verkauft, als sie mit ihm nach Vienne zog. Sein Vater hatte das
Bild kurz nach der Hochzeit in Auftrag gegeben, als noch Geld für solche Dinge übrig war. Trotzdem hatten sich seine Verwandten bestimmt bitter über die unnötige Ausgabe beschwert. Damals hatten sie sich noch nicht aktiv gegen Nicholas’ Mutter verschworen, aber sie stritten über jeden Geldbetrag, der nicht unmittelbar ihrem eigenen Wohlbefinden diente. Abgesehen davon war sie sowieso nicht besonders gut getroffen, zumindest nicht nach Nicholas’ Erinnerung. Das Porträt zeigte nur irgendeine junge Frau mit feinen Zügen und dunklen Locken, doch darüber hinaus hatte der Maler keine Ausdrucksnuance erfasst, die dem Bild Leben verliehen hätte. Bestimmt hatte sein Vater dreimal so viel dafür bezahlt, wie es wert war, ohne etwas von dem Betrug zu ahnen. Nicholas wandte sich ab, um die Gedanken an alte Zeiten zu verscheuchen.
Er wollte sich seine Sammlung von Geschichtsbüchern vorknöpfen, sowohl die staubtrockenen als auch die marktschreierischen, um jene Ahnung einer Erinnerung zu ergründen, die ihn seit dem Besuch im Valent House nicht mehr losgelassen hatte. Ganz gleich, ob er darüber nachdachte oder nicht, das schattenhafte Bild in ihm gewann immer mehr an Kraft. Es war ein Holzschnitt. Und die Seite war fleckig. Dieses Wissen half ihm nicht unbedingt weiter. Von den Büchern seiner Kindheit besaß er kein einziges mehr. Nach dem Tod seiner Mutter waren sie alle zusammen mit seinen anderen Habseligkeiten verlorengegangen. Die Bücher in dieser Bibliothek stammten alle von Edouard oder waren gekauft worden, nachdem Nicholas hier eine neue Heimat gefunden hatte. Trotzdem setzte er große Hoffnungen in die Geschichtsabteilung, die die ganze Westwand des Raumes einnahm.
Er vertiefte sich so sehr in die Suche, dass er kaum bemerkte, wie Sarasate ein Tablett mit Kaffee und Brötchen hereinbrachte. Zwischen Cadarsas Geschichte Ile-Riens in acht Bänden und einer alten Ausgabe der Zaubertaten von Lodun stieß er auf ein illustriertes Kinderbuch mit dem Titel Die
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