Necromancer - The Death of the Necromancer
wenn sie wussten, wo sie suchen mussten.
»Ich hab für die Familie ausgesagt, weil du es nicht über dich gebracht hast …«
»Das war ein Fehler.« Außerdem stimmte es nicht ganz. Vielleicht wollte Arisilde bloß höflich sein. Sie hatten Nicholas damals an ein Bett gefesselt und ihm Laudanum eingeflößt, damit er keinen Versuch unternehmen konnte, Edouard zu befreien oder die Hinrichtung zu stören. Als Nicholas schließlich wieder zu sich kam und begriff, dass
Edouard am Galgen gestorben war, geriet er völlig außer sich und zerbrach sämtliche Fenster, Lampen und sonstigen Glasgegenstände im Haus. Doch schließlich verrauchte der Zorn, und was an seine Stelle trat, war zwar nicht weniger schmerzhaft, aber viel nützlicher.
»Was?« Arisilde hatte die Augen verdreht, bis nur noch das Weiße zu erkennen war, in dem sich das Licht der Kaminglut hinter ihnen spiegelte. Doch seine Stimme klang fast normal. »Glaubst du, mein Verfall ist auf diesen einzigen Moment zurückzuführen? O nein, o nein, das darfst du nicht glauben. Einen guten Freund sterben zu sehen ist schrecklich, aber das war nicht der Grund. Ich selbst bin der Grund.« Arisilde beugte sich vor. Er senkte die Stimme zu einem Flüstern, doch für Nicholas war es, als würde er angeschrien. »Ich wollte sie alle umbringen. Nicht wegen ihrer Taten, verstehst du, sondern wegen ihrer Tatenlosigkeit. Ich wollte Lodun niederreißen, Stein um Stein. Ich wollte alle Männer, Frauen und Kinder in dieser Stadt vernichten, ich wollte sie bei lebendigem Leib verbrennen und zuschauen, wie sie kreischend zur Hölle fahren. Und ich hätte es tun können. Ich bin dazu ausgebildet. Aber …« Arisilde lachte. Es war ein qualvoller Laut. »Aber ich habe es noch nie ertragen, wenn jemand leiden muss. Ist das nicht lächerlich?«
»Das ist der Unterschied zwischen uns, Ari. Du wolltest es tun; ich hätte es getan.« Trotz seiner Bemerkung konnte sich Nicholas nicht verhehlen, dass ihn Arisildes Worte verstört hatten. Unter dem Einfluss von Opium hatte Arisilde schon so manche merkwürdigen Dinge gesagt, aber ihn so reden zu hören, war zutiefst schockierend. Nicholas hatte nicht gewusst, weshalb sein Freund den Weg in den Verfall und die Verzweiflung gewählt hatte. Doch es war bestimmt
nicht das erste Mal, dass er so etwas miterlebte; auf den Straßen seiner Jugend tappten jeden Tag Männer und Frauen in diese Falle.
Arisilde rieb sich übers Gesicht, bis die Haut aufzureißen drohte. Nicholas packte seine Hände und zerrte sie weg, aus Angst, er könnte sich die Augen auskratzen. Der Zauberer starrte ihn eindringlich an. »Ich habe Edouard für schuldig gehalten, das weißt du. Ich hab es dir erzählt, und wir haben darüber geredet. Dann, nach der Hinrichtung, bin ich zu dir gekommen und habe zugeben müssen, dass ich mich geirrt hatte. Weißt du noch? Später wurde es sogar bewiesen. Ronsarde hat es bewiesen, erinnerst du dich?«
»Natürlich. Damals habe ich …« … beschlossen, Ronsarde nicht umzubringen. Nicholas konnte den Satz nicht laut vollenden, nicht einmal gegenüber Ari, obwohl der diese Unterhaltung morgen bestimmt schon vergessen hatte.
»Aber ich hab dir nie erzählt, woher ich das wusste.« Arisilde brach ab. Nicholas vermutete schon, dass er nichts mehr dazu sagen wollte, und versuchte ihm aufzuhelfen, doch der Zauberer schüttelte den Kopf. Seine Stimme klang auf einmal merklich fester. »Ich bin zu Ilamires Rohan gegangen. Er war damals Master von Lodun, weißt du noch?«
»Natürlich weiß ich das noch, Ari. Er hat sich für Edouard eingesetzt.«
Plötzlich rappelte sich Arisilde auf und zog auch Nicholas nach oben. Ari war so schmächtig und wirkte die meiste Zeit so schwach und matt, dass Nicholas völlig vergessen hatte, welche Körperkräfte er besaß. Die Hände des Magiers hatten sich in sein Hemd verkrallt und hätten ihn fast von den Füßen gerissen. Nicholas befürchtete schon, ihm weh tun zu müssen, um sich aus seinem Griff zu befreien. In einem
leisen Tonfall, der Nicholas einen Schauer über den Rücken jagte, erklärte Arisilde: »Er hat sich nicht genug für ihn eingesetzt.«
»Was soll das heißen?«
»Ich habe ihn in seinem Studierzimmer in Lodun aufgesucht. Was für ein wunderschöner Raum! Ich habe an meinem Urteil gezweifelt, weil ich überzeugt war, Edouard hätte mich getäuscht. Doch Rohan hat mir versichert, dass mein Urteilsvermögen nicht beeinträchtigt war. Er wusste, dass Edouard unschuldig war.
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