Necromancer - The Death of the Necromancer
schoss einen finsteren Blick auf die Passanten jenseits der Brüstung ab. »Die Kommunikation mit den Geistern ist kein Spiel. Für diejenigen, die sich ihr verschreiben, ist sie eine Religion.«
Nicholas nickte ihr aufmunternd zu. Weil er einen anderen praktizierenden Spiritisten nach Octaves Hintergrund fragen musste, hatte er dieses Treffen schon vor zwei Tagen in die Wege geleitet. Zu diesem Zweck hatte er sich an zwei alte Bekannte gewandt, von denen er wusste, dass sie sich mit diesem Zeitvertreib und auch mit Hochstapelei befassten. Sie hatten noch nie von Octave gehört, ehe er in diesem Jahr auf der Bildfläche erschienen war, doch beide hatten ihm Madame Talvera als zuverlässige Informationsquelle ans Herz gelegt.
Das Café lag an der Street of Flowers, knapp innerhalb der Grenzen von Philosopher’s Cross. Madame Talvera hatte sich nicht weiter in diese Gegend hineingewagt, weil sie angeblich Angst vor Hexen hatte. In Anbetracht dessen war Nicholas froh, dass sie nichts über Arisilde wusste. Wenn sie in dem zerstreuten Mann neben ihr, der sein Cremegebäck in seine Bestandteile zerlegte, bevor er es verschlang,
einen mächtigen, in Lodun ausgebildeten Zauberer erkannt hätte, wäre sie vielleicht weniger entgegenkommend gewesen.
Es hatte ihn angenehm überrascht, dass Arisilde ihn begleiten wollte. Nachdem sie aus dem Schacht herausgekrochen waren, hatte Nicholas Cusard angewiesen, die Tür zu verschließen und das Valent House zu verlassen. Davor ließ er Arisilde noch einen Blick auf die merkwürdig geschmolzene Wand in dem Raum mit der vivisezierten Leiche werfen. Der Zauberer konnte ihm dazu nur sagen, dass der Schaden durch die Freisetzung großer Kräfte entstanden war, die eindeutig magischen Urprungs waren. Als ihn Nicholas nach der Art dieser magischen Kräfte fragte, antwortete Arisilde: »Sehr böse Kräfte.« Mehr war ihm nicht zu entlocken.
An den anderen Tischen unter der gestreiften Markise hockten hauptsächlich Handwerker, aber weil hier bereits Philosopher’s Cross anfing, kümmerte sich niemand um den Zustand von Nicholas’ und Arisildes Kleidern, die durch das Herumkriechen in dem Schacht stark gelitten hatten. Nicholas hatte kaum die Zeit gehabt, seine Donatien-Maskierung zu entfernen, die er untertags in der Öffentlichkeit nur im äußersten Notfall trug.
Eine Brise fuhr durch die Bäume auf dem Grünstreifen in der Mitte der Straße, und ein starker Geruch nach Regen erfüllte die Luft. Nicholas rührte seinen Kaffee um. »Ist es anständig, wenn man mit seiner Religion Geld verdient?«
»Nein, keineswegs. Geschenke sind erlaubt, aber sie sollten aus freiem Herzen gewährt werden, und es sollte nicht mehr sein, als der Schenkende leicht entbehren kann.« Madame Talvera unterstrich ihre Worte mit einer heftigen Geste.
Sie war eine Aderanerin mit gelblich brauner Haut, scharfen Gesichtszügen, einem streng nach hinten gebundenen Haarknoten und ernsten, dunklen Augen. Sie trug ein schlichtes schwarzes Kleid mit hohem Kragen und eine Haube mit kleinem Schleier. »Es gibt Schwindler, die die Tische mit den Zehen zum Wackeln bringen und fremde Stimmen nachahmen. Haben Sie davon schon mal gehört?« Auf sein Nicken hin schüttelte sie grimmig den Kopf. »Mit solchen Dingen muss man rechnen. Es gibt auch Männer, die sich als Priester verkleiden und damit ihr Geld verdienen.«
Versonnen berührte sie ihr Glas. Er hatte ihr angeboten, sie zum Mittagessen einzuladen, aber sie hatte nur ein Wasser bestellt. »Es geht hier nicht um Zauberei. Die ätherische Ebene ist für jeden erreichbar, der seinen Geist dafür öffnet. Die Schwestern Polacera, die großen Lehrerinnen des Spiritismus, haben viele Techniken beschrieben, wie man seine Sinne schulen kann, um diese Ebene zu erfassen. Gespräche mit den Toten sind nur ein geringfügiger Teil unserer Tätigkeit. Alles in allem ist Spiritismus im Grunde eine Lebensweise.«
Es ist ein Kult , allerdings ein ziemlich harmloser. Nicholas hatte von den Polaceras und den anderen Intellektuellen gehört, die die Spiritismus-Welle losgetreten hatten. »Kennen Sie einen Mann, der sich als Spiritist ausgibt und sich Dr. Octave nennt?«
»Ach, der. Den kennt doch jeder.« Sie wirkte leicht angewidert. »Jetzt verstehe ich, warum Sie sich für diese Dinge interessieren. Hat er Sie um Geld betrogen? Oder vielleicht jemanden aus Ihrer Familie?«
»Er hat mir in der Tat große Unannehmlichkeiten bereitet.«
»Zum ersten Mal bin ich ihm vor sechs
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