Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
macht sich zum Narren – sieh dir doch nur Big Jimmy an. Kaum hat so einer was getrunken, macht sich in seinem Kopf ein Vollidiot breit, der das Denken für ihn übernimmt und ihn zum Großmaul macht!«
Dem Necroscopen war dies nicht fremd. Es war ihm nicht neu, dass sich in seinem Kopf Fremde zu Wort meldeten, die das Handeln für ihn übernahmen. Allerdings waren sie alles andere als Idioten und sagten in der Regel die Wahrheit.
»Und was den Unterschied angeht«, fuhr B. J. fort ...
»Eh?«, fühlte Harry sich genötigt, einzuwerfen.
»... zwischen einem Pub und einem Weinlokal«, lächelte sie.
»Oh!«
»Es ist die Lizenz!«, erklärte sie. »Die Öffnungszeiten eines Pubs werden streng kontrolliert, die Kunden, die hingehen, aber nicht! Mein Weinlokal ist ein Club, der so lange auf hat, wie es mir gefällt ... innerhalb der gesetzlichen Regelungen, versteht sich, und meine Gäste wähle ich selber aus.«
»So wie Big Jimmy?« Damit ließ Harry sich auf der Couch nieder.
»Er hat sich noch nie etwas zuschulden kommen lassen. Das war das erste und letzte Mal!«
»Weißt du«, meinte Harry, »ich habe noch nie einen Schotten getroffen, der ›Jimmy‹ hieß! Ich weiß natürlich, dass man hier oben zu jedem einfach Jimmy sagt. Aber so viele Leute, die James heißen, kann es doch gar nicht geben!?«
Sie musste lachen. »Das ist dasselbe wie mit ›John‹ in London oder ›Bruce‹ in Australien. Wenn man jemanden nicht kennt, sagt man eben Jimmy zu ihm, und damit fertig! Aber Big Jimmy heißt wirklich so.«
Harry verzog das Gesicht. »Er heißt also tatsächlich so?«
»Ich werd’ dir mal was sagen!« Sie nahm auf dem Sessel ihm gegenüber Platz. »Sei vorsichtig mit dem, was du über die Schotten behauptest. Es gibt da Leute, denen das gar nicht gefällt.«
»Oh, ich bin überzeugt davon, dass du alles über sie weißt, auch wenn du selbst nicht dazugehörst ...«
B. J. wandte sich ab und tat, als sei sie mit dem Wein beschäftigt, um sich ihre momentane Verwirrung nicht anmerken zu lassen.
Von der Hausbar hatte sie auf einem silbernen Tablett eine Flasche nebst Gläsern und eine Kristallkaraffe mitgebracht. Nun schenkte sie aus der Karaffe den Rotwein ein und für sich ein Glas Liebfrauenmilch, das sie hob, um einen Trinkspruch auszubringen: »Auf dich, Harry Keogh!« Ihr Akzent war völlig verschwunden.
Harry griff nach seinem Glas und betrachtete die geschliffenen Facetten. Der Inhalt schimmerte in einem hellen Rubinrot, wirkte jedoch irgendwie trüb. »Der Rote ist für mich?«, wollte er wissen. »Ich dachte immer, davon bekommt man Kopfschmerzen? Was für einer ist das, die ›Hausmarke‹?«
»Das mit den Kopfschmerzen ist bloß ein Märchen«, erklärte sie. »Den Rotwein habe ich ganz bewusst für dich ausgesucht, weil er nicht so stark ist. Aber er ist voller Weinstein, deshalb habe ich ihn umgefüllt. Das meiste davon habe ich wegbekommen. Aber wenn du lieber etwas anderes magst ...« Sie zuckte die Achseln. »Ich kann dir auch gern einen Kaffee oder sonst was machen?«
Harry nahm einen kleinen Schluck. Der Wein war nicht unangenehm, hatte aber einen leicht säuerlichen Nachgeschmack. Irgendwie schmeckte er nach ... Harz? Harry probierte mehr davon. »Du stehst wohl auf mediterrane Sachen?«
»Aha! In der einen Minute noch völlig unbedarft und in der nächsten zeigt sich schon der Kenner! Aber du hast recht: Ein Freund hat mir eine ganze Kiste davon aus Griechenland mitgebracht. Wahrscheinlich irgend so ein billiges Zeug, das sie da unten trinken, deshalb schmeckt er dir wohl auch nicht, aber ...«
»... Schon in Ordnung«, unterbrach Harry sie. »Er ist ganz gut. Und ich danke dir auch für die Einladung, B. J.; aber ich muss trotzdem mit dir reden!«
»Ich weiß«, entgegnete sie. »Über jene Nacht?«
»Ja.«
»Nun, das trifft sich gut, darüber möchte ich nämlich auch mit dir reden!«
»Du hast mir wahrscheinlich das Leben gerettet«, fuhr Harry fort, »und das vergesse ich dir nicht. Aber trotzdem hast du einen Menschen getötet, man könnte es sogar Mord nennen! Den ›Wolfsmann‹ hast du regelrecht an seinen Sitz in diesem Lieferwagen genagelt und damit ebenfalls dazu beigetragen, ihn umzubringen. Und bei all dem bliebst du ganz ruhig und gelassen – das bereitet mir die größte Sorge! Ich meine, es ist doch nicht normal, dass jemand mit einer Armbrust herumläuft und Leute erschießt und es hinterher mit einem Achselzucken abtut, so als geschehe dies jeden Tag
Weitere Kostenlose Bücher