Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
waren sie schwierig und gefährlich, solange nur ein Funke Leben in ihnen war.
B. J. wusste, dass sich hinter dem vorletzten falschen Plateau einer Reihe mächtiger Felsterrassen im Windschatten der Anhöhen nahezu unzugängliches Waldland befand, und sie wusste ebenfalls, dass sie dort auf Wild stoßen würde – eine richtige kleine Herde Rotwild. Niemandem würde es auffallen, wenn sie eins der Tiere erlegte; dies war die Wildnis, und niemand sonst ging hier je auf die Jagd. Außerdem brauchte sie nur ein einziges Kitz; nicht weil das Fleisch so zart war, sondern wegen der Größe. Es musste leicht zu transportieren sein, zurück zu Radus Bau.
Sie erreichte den Rand. Gut zweihundert Meter unter ihr erstreckte sich grün und nebelverhangen der Baumstreifen. Durch einen schwindelerregenden Kamin stieg sie hinab.
Bevor sie sich an den Abstieg machte, ließ sie die Haken an ihrem Seil hinunter und hangelte sich dann Stück für Stück abwärts bis zum Grund. Ihre Beute hatte sie natürlich längst wahrgenommen und war geflohen; schließlich hatten die einzigen Geräusche, die es hier gab, ihren Ursprung in der Natur, und jeder fremde Laut bedeutete eine Gefahr.
Also folgte sie ihren Spuren durch die Wälder. Von da an verriet sie weder das Knacken eines Zweiges noch das Rascheln eines zurückschnellenden Astes ... bis zu dem Augenblick, in dem die Sehne ihrer Armbrust surrte und der todbringende Bolzen mit einem Zischen unfehlbar auf sein Ziel zuraste ...
***
Das Rückgrat des jungen Rehbocks war nur wenige Zentimeter über dem Schulterblatt beinahe durchtrennt. Er war gelähmt und zitterte nur noch, als B. J. ihn mithilfe des Seils und der Haken am Felsen entlang hochzog. Das Tier hatte seinen Darm bereits im Wald entleert und vermochte sie somit nicht mehr zu beschmutzen. Dann ein Marsch von sechseinhalb Kilometern zurück zur Stätte, und die ganze Zeit über hoffte Bonnie Jean wider alle Vernunft, dass das bebende Tier auf ihren Schultern nicht sterben möge. Denn am Bottich von Radus Bestie würde sie die ganze Triebkraft des noch schlagenden Herzens benötigen.
An der Stätte angekommen, ließ sie das Tier in den dem Bottich am nächsten gelegenen Luftschacht hinunter und folgte ihm in die Finsternis. Wenig später stieg sie die zum Rand des Bottichs führenden Steinplatten hinauf und warf den Bock auf die gelbe, nur halb feste Oberfläche hinab. Anschließend ging sie wieder zurück, um den Bottich herum zu dessen Rückseite, wo ein in Öltuch eingeschlagener Kupfergegenstand verwahrt wurde. Es handelte sich um eine hohle, fast einen Meter lange zylindrische Röhre mit einem Durchmesser von weniger als zwei Zentimetern, an deren einem Ende sich ein trompetenartiger Trichter befand. Das andere Ende war schräg angeschnitten wie die Nadel einer Spritze.
Damit erklomm B. J. die Steinplatten erneut und schob das gelähmte Kitz beiseite, um das spitze Ende des Trichters ins Harz zu stoßen ... worauf der verschwommene Umriss von Radus Kreatur sich in der gallertartigen Masse ihres Brutbottichs zwar träge, aber deutlich sichtbar zu regen begann! Denn der innere Kern bestand nicht allein aus Harz, sondern enthielt, ähnlich wie eine Fruchtblase, noch weitere, weniger zähe Flüssigkeiten. B. J. nahm die plötzliche Bewegung wahr und zuckte zurück. Seit sie hierherkam, war dies das allererste Mal, dass so etwas geschah. Es konnte nur eines bedeuten, nämlich dass ihr Gebieter recht hatte: Die Bestie reifte in der Tat rasch heran!
Ohne zu zögern (höchstens noch eiliger, weil sie schon einmal dabei war), drückte B. J. das Kupferrohr mit aller Kraft in das klebrige Harz hinein, versenkte es zu zwei Dritteln seiner Länge, bis nur noch der Trichter wie ein gieriges Maul herausragte. Mit leicht verzerrtem Gesicht, ansonsten jedoch ohne jedes weitere Anzeichen von Widerstreben, schnitt B. J. dem Kitz die Kehle durch. Sie hielt den Körper fest und sah zu, wie der Lebenssaft sich in einem wahren Schwall in die klaffende Trichteröffnung ergoss und von dort gurgelnd seinen Weg hinab zu dem Ding im Bottich fand.
Durchaus möglich, dass es ein oder mehrere primitive Mäuler ausgeprägt hatte. B. J. hatte keine Ahnung und vermochte es nicht zu sagen. Das Einzige, was sie wusste, war, dass die Kreatur ihres Gebieters das noch warme Blut des Kitzes irgendwie in sich aufnahm, gut einen Liter, vielleicht auch ein bisschen mehr. So wenig für ein so riesiges Wesen. Aber es reichte aus. Radu benötigte fast ebenso viel,
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