Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
nie gab. Sein Name war Radu Lykan, ein sogenannter ... »Hunde-Lord«, der den Mond anbetete und dessen Gestalt eher einem edlen Wolf glich als derjenigen einer Unheil kündenden Fledermaus. Oh, Radu war ein Wamphyri, gewiss, doch war sein Naturell dem ihren überlegen, ungefähr so, wie ein Mensch einer Ratte überlegen ist.
Tausend Jahre lang rannte Radu mit den Wölfen und war eins mit der Wildnis dieser Welt ... ein Geschöpf der Natur, aye, ganz anders als die niederträchtigen, furchtbaren Lords, die mit ihm von der Sternseite kamen. Alles, was er sich wünschte, war, sein eigenes Leben zu führen. Er wollte niemandem Schaden zufügen, nur ungesehen in den Wäldern und Berghöhen leben. Er jagte die Tiere der Wildnis und trank das reine, klare Wasser der Bergbäche.
Die Drakuls und Ferenczys hingegen ... sie waren – sie sind – eine ungeheure Plage und der Ursprung einer Legende, die sich auf der ganzen Welt verbreitete – des Vampirmythos’! Und Radu wurde, einzig weil er ein Wamphyri ist, mit ihnen über denselben Kamm geschoren. Bereits in grauer Vorzeit, als er von der Sternseite kam, und all die Jahre, die er frei in der Wildnis lebte, ja, bis auf den heutigen Tag kennt man ihn unter einem grässlichen, völlig unverdienten Namen: Werwolf! Und obwohl er sich niemals solche scheußlichen Gräuel und Exzesse zuschulden kommen ließ wie die Drakuls und die Ferenczys, trägt sein Ruf doch denselben Makel und sein Andenken ist befleckt.
Sein Andenken, aye ...
Denn er ist nicht mehr; in dieser Welt ist er nichts als eine uralte Kreatur in einer Höhle, nur noch ein schlechter Traum, dem niemand je Gelegenheit gab, seinen Namen reinzuwaschen. Denn seine alten Feinde von der Sternseite zwangen ihn, sich in ein Versteck zurückzuziehen und sein Leben in der Wildnis als mächtiges Naturgeschöpf aufzugeben. Vor sechshundert Jahren, in einer Zeit voller Krieg, Pest und Hungersnöten, spürten sie ihn auf und jagten ihn, um ihm den Garaus zu machen. Doch er entkam ihnen und ihrem Gefolge, indem er sich in einer Bergfeste verbarg. Allerdings ist es nur dem Namen nach eine Feste. Ohne Diener, die ihm aufwarten, ohne Schutz handelt es sich eher um einen Wolfsbau, einen Unterschlupf, als um eine Festung.
Doch noch nicht einmal dort ist der Hunde-Lord Radu sicher. Selbst dort, selbst heute noch schnüffeln ihm die Kindeskinder seiner einstigen Erzfeinde von der Sternseite hinterher. Denn die Nachkommenschaft, die Brut der abscheulichen Drakuls und Ferenczys mag zwar keine Ahnung haben, wo genau er sich befindet, aber sie wissen, dass er nicht tot, sondern untot ist und in einer Stätte vor sich hinträumt, und sie können es nicht ertragen, dass er noch unter uns weilt.
Denn wenn Lord Lykans jahrhundertelanger Schlaf vorüber ist, wird er wieder auferstehen und in seine Wälder und Berge zurückkehren. Doch diesmal wird er keinen seiner Feinde am Leben lassen. Diesmal wird er sie aufspüren, wo auch immer sie sich unter den Menschen verbergen mögen, und mit ihnen so umspringen, wie sie es ihm zugedacht hatten.
Aber ... es wird nicht leicht werden. Denn schon damals, vor sechshundert Jahren, verstanden die Wamphyri sich meisterlich darauf, sich unerkannt inmitten der Menschen aufzuhalten. Insbesondere die Ferenczys! Ich werde dir erzählen, was ich über ihren Werdegang weiß, Harry, so wie es mein Gebieter, der Hunde-Lord Radu Lykan, mir erzählte. Aber vergiss nicht, damit ist die Geschichte ihrer Niedertracht bei Weitem nicht vollständig. Sie endet an dem Punkt, an dem Radu sich in seinen Unterschlupf im Gebirge zurückzog. Und in der ganzen Zeit, die seither vergangen ist ... ah, wer vermag schon zu sagen, was aus solchen Kreaturen geworden ist und welche Stellung sie heutzutage in der Welt einnehmen? Nun, ich natürlich. Ich weiß zumindest einiges über sie.
Zunächst zu den Drakuls:
Wie gesagt, zwei von ihnen kamen gemeinsam mit Radu durch das Tor, Karl und Egon. Im Jahr 1260 stieß Radu in Ain Jalut auf Karl den Schwarzen, wie man ihn nannte – und zwar nicht wegen seiner Hautfarbe, sondern wegen seines schwarzen Herzens. Karl kämpfte aufseiten der Mongolen (ebenso wie ein gewisser Ferenczy, der die Flucht ergriff, als er sah, dass alles verloren war; zu ihm komme ich später) und Radu für die Mamelucken, die den Sieg davontrugen. Karl braucht uns also nicht weiter zu kümmern! Egon Drakul hingegen hielt sich danach an einen alten Grundsatz der Wamphyri in dieser Welt: dass Anonymität ein langes
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