Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
Drakesh. »Was sein wird, wird sein ... nicht unbedingt weil ich es möchte, sondern weil Ihre Vorgesetzten es so wünschen. Und falls ich, um zu überleben, gehorchen muss, dann werde ich eben den Befehlen Folge leisten. Mit Zwang erreichen Sie nichts bei mir, und vertreiben können Sie mich auch nicht!«
»Sie halten mich nicht zum Narren!« Chang Lun schüttelte den Kopf. »Ihre sogenannten ›Jünger‹ sind eben jetzt, in diesem Augenblick, in der Welt unterwegs. Wozu, wenn nicht, um eine neue Wohnstatt für Sie zu finden? Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie lieber das Weite suchen, bevor Ihre Betrügereien aufgedeckt werden. Reden wir doch mal Klartext: Ich halte Sie für einen Scharlatan, ja. Aber ich halte Sie auch für ausgesprochen bösartig. Ihre ... Brut, die in Chungking mittels künstlicher Befruchtung herangezogen wurde, belegt dies. Früher oder später wird sogar Tsi-Hong die Wahrheit erkennen, und was geschieht dann mit Ihnen und den Ihren? Ich habe keine Ahnung, was Sie sind, Drakesh, aber ein heiliger Mann sind Sie nicht. Und Sie führen nichts Gutes im Schilde, dessen bin ich mir sicher. Und was dieses Kloster angeht: Glauben Sie etwa, ich wüsste nicht, weshalb Sie sich diesen Ort, so nah an einer Vielzahl von Grenzen, ausgesucht haben? Sie haben sich Ihre Schlupflöcher vorbereitet für den Fall, dass man Ihnen auf die Schliche kommt!«
Drakesh berührte sein Gewand, die Stelle, die den Brief barg. Major Luns wirres Gerede kümmerte ihn nicht, ihn beschäftigten andere Dinge. Fünfzehn seiner »Kinder« missgestaltet und bei der Geburt getötet. Das war ihm natürlich bereits seit Langem bekannt. Aber fünfzehn von fünfzig? Das war nicht weiter erstaunlich: Missgeburten und albtraumhafte Missbildungen waren bei den Wamphyri der Sternseite an der Tagesordnung; dies wusste er von Egon. Und was groteske Autismen anging – Störungen des Knochenwuchses und der Hirnfunktionen, der Hang zu extremer Gewalt, Irrsinn und »widernatürliche« Begierden – dies war nur zu erwarten. Was auch sonst? Diese Kinder, diese Geschöpfe waren Vampire gewesen! Die Brut aus Dahams Blut, seine Kreaturen, aye ...
»Die letzten sechs entkamen«, unterbrach Chang Lun seine Gedanken. Er entschuldigte sich noch nicht einmal dafür, dass er jede noch so kleine Einzelheit des Briefes kannte. »Erst acht Jahre alt und, abgesehen von ihrem beschleunigten Wachstum, scheinbar ohne jeden Makel. Sie töteten ihre Aufseher und Lehrer und bissen nicht nur die Hand, die sie fütterte, sondern ... fraßen sie auf! Blutsauger, Kannibalen, mordgierige Irre! Innerhalb von nur acht Jahren wuchsen sie zu Männern und sexuell unersättlichen Frauen heran! Schließlich wurden sie alle zur Strecke gebracht. Aber es war nicht einfach ...«
Abermals warf Drakesh ein: »Ich sagte ihnen voraus, was geschehen würde. Und diesmal machen wir es auf meine Weise!« Sein Flüstern klang eher wie ein heiseres Rascheln, das aus dem dürren Hals kam. »Ja, auf meine Weise ...«
All seine »Kinder« tot – der Kern einer schier unerschöpflichen Armee, die Tsi-Hong schaffen wollte, eine einzigartige, neue Rasse, um China zu beschützen – alle tot. Doch Drakesh empfand keinen Schmerz. Er hatte ja gewusst, was geschehen würde. Tsi-Hong hatte versucht, Menschen aus ihnen zu machen. Daham würde sie zu dem erziehen, was sie waren, und ihnen beibringen, dies zu verbergen, so lange, bis er bereit war!
Von Anfang an hatte er dies vorgehabt. Seit undenklichen Zeiten hielten die Drakuls es so – sie unterwanderten ihre Gegner und verzehrten diese von innen heraus. Doch war China der Gegner? Keineswegs, sein Feind war die gesamte Menschheit! China war lediglich die Brutstätte für die nächste und letzte Generation der Großen Vampire, und in der Vampirwelt von Morgen würde Daham Drakesh deren ruchloser Hohepriester sein – ihr Blutvater, aye.
Vorerst jedoch rief er dem Major ins Gedächtnis: »Sie haben mir ein paar Fragen gestellt. Falls sie nicht nur leichtfertig so dahingesagt waren, werde ich sie gerne beantworten. Ja, ich fühle mich dazu verpflichtet, damit Sie Tsi-Hong meine Antwort übermitteln können. Sie wollten wissen, ob ich das Kloster in einen Harem verwandeln will!« Drakesh schüttelte den Kopf. »Nein. Die Brüder werden die Stadt im Windschatten der Berge herrichten. Und die Lüsternen unter ihnen werden sie wiederbesiedeln. Aber der eigentliche Vater des Nachwuchses werde ich sein!«
»Ich kenne den Ort«, entgegnete Chang
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