Necroscope 9: WERWOLFSJAGD (German Edition)
daransetzen wird, ihn zu kriegen. Wenn er also schon töten muss, dann doch am besten gleich diejenigen, die ihm ohnehin auf den Fersen sind und eine Bedrohung für ihn darstellen!«
Harry hörte wie gebannt zu, und zwar keineswegs mehr bloß weil er eine Beschäftigung suchte, um die Zeit totzuschlagen. Denn wenn jemand sich mit merkwürdigen Dingen auskannte, dann der Necroscope; und ihm war klar, dass er manches davon nicht länger zulassen durfte.
»Okay, du hast mich überzeugt«, sagte er schließlich. »Zumindest davon, dass es hier etwas gibt, was wir regeln müssen. Wie sieht es mit den Einzelheiten aus?«
Darcy schüttelte den Kopf. »Wir haben keine! Nur einen Haufen absolut sinnloser Morde. Da wären zum einen zwei Polizisten, die schon unter der Erde sind, und ein dritter im Leichenschauhaus, der nur darauf wartet, bis sie ihn begraben. Dann haben wir noch ihre Freunde und Kollegen und die trauernden Familien. Dazwischen, wo eigentlich Motive und Beweise sein müssten, klafft ein riesengroßes Loch. Ich meine, es klingt wie ein Klischee, ich weiß, Harry, aber diesmal ist es außerdem auch eine Tatsache: Wir haben nicht die geringste Spur.«
»Aber dafür wissen wir, wo wir anfangen müssen«, erwiderte der Necroscope grimmig. Und in der Tat standen ihm gleich drei Orte zur Auswahl ...
Es gibt Zeiten, da verkrafte ich es ganz gut, erklärte Jim Banks Harry. Ich schlafe sehr viel, wie jemand, der emotional am Ende ist, weißt du? Aber wenn ich erst ›wach‹ bin, dann ist es wirklich schlimm. Ständig versuchen sie , mir Trost zuzusprechen ... Na ja, immerhin etwas. Aber selbst so fällt es schwer. Oh, ich weiß, ich hatte noch einen harten, steinigen Weg vor mir. Mein Leben war nicht leicht und daran hätte sich wohl auch nichts geändert, aber immerhin war es ein Leben!
Einstmals war Banks ein wirklich harter Brocken gewesen. Hinter der körperlosen Stimme ahnte der Necroscope ein Schluchzen, doch Banks ließ es nicht an die Oberfläche dringen. Harry nahm an, dass er bereits genug geweint und geflucht hatte, als er sich schließlich eingestehen musste, dass er tot war, nachdem sie endlich zu ihm durchgedrungen waren. »Sie« – das waren die zahllosen Toten, die Große Mehrheit derer, die lange vor ihm existiert hatten und nun in der kalten Erde ruhten oder zu Asche verbrannt waren.
Banks gehörte zu Ersteren. Er lag auf einem Friedhof im Norden Londons begraben, unter einem schlichten Grabstein, auf dem sein Name und seine Lebensdaten standen, dazu ein Motto und ein trauriger letzter Gruß seiner Familie. Das Motto war auf Latein und lautete: Exemplo Ducemus . Harry fragte sich, was das wohl heißen mochte.
Ich war bei der MP, erklärte Banks, Militärpolizei, zwölf Jahre lang, in einer Einheit für Sonderermittlungen. Das ist das Motto unseres Korps: Exemplo Ducemus – ›mit gutem Beispiel gehen wir voran‹. Aber das war einmal. Hier gehe ich niemandem mehr voran. Jetzt hinke ich nur noch den anderen armen Schweinen hinterher, die es vor mir erwischt hat. Vielleicht hätte ich besser ein einfaches ›Ruhe in Frieden‹ genommen, he?
Aber wie Harry sehr wohl wusste, ruhten die Toten keineswegs so friedlich. Auch wenn sie keinen Körper mehr hatten, suchten sie doch nach Möglichkeiten, sich zu beschäftigen. Und auch im Tod würde Jim Banks wohl nichts anderes tun als das, was er bereits im Leben getan hatte; und da er ein Bulle gewesen war, dürfte er zur Zeit wohl, wenn auch nur im Geist, seinen eigenen Tod untersuchen, den Mord an ihm selbst. Natürlich, was sonst! Zumindest dürften seine Gedanken um nichts anderes kreisen. Aber nicht anders als seine Kollegen in der Welt der Lebenden hatte er nicht viel, womit er etwas anfangen konnte. Alles, was er wusste, war, dass er irgendeiner Sache zu nahe gekommen war. Viel zu nah!
»Aber was Sie wissen, werden Sie mir doch sagen?«
Bleiben wir beim Du, Harry. Da gibt es nicht viel zu sagen. Noch vor einem Monat leitete ich die Ermittlungen gegen eine Bande von Autoschiebern. Ich erhielt einen Hinweis auf einen Pub im Eastend. Eines Nachts ging ich hin, musste allerdings unverrichteter Dinge wieder abziehen. Aber von da an wurde es richtig ... unheimlich! Ich hatte das unbestimmte Gefühl, verfolgt zu werden. Dabei gab es überhaupt keinen Grund, so etwas anzunehmen! Ich hatte ja nicht die geringste Ahnung, dass ich auf einer brandheißen Spur war!
Harry blickte sich um und ließ seinen Blick über die verwitterten, zum Teil bereits
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