Neferets Fluch ( House of Night Novelle )
an unser wundersames Gespräch und dass er mir praktisch zu verstehen gegeben hatte, dass es meine Hand war, um die er anhalten wollte, hatte mein Verstand bereits die andere, weniger romantische Information erfasst, die ich von ihm erhalten hatte.
Zwar zittern meine Hände vor Freude, da ich hier, in der Sicherheit meines Zimmers, in diesem Büchlein noch einmal meine Begegnung mit Arthur lebendig werden lasse und mir auszumalen beginne, wie eine Zukunft mit ihm aussehen könnte, doch mir ist klar geworden, dass ich sehr leise sein muss, wenn ich mich an meinem geheimen Ort aufhalte.
Ich darf niemals wieder jemanden darauf aufmerksam machen.
27. April 1893
Emily Wheilers Aufzeichnungen
Voller Bangen beginne ich diesen Eintrag in mein Büchlein. Ich spüre genau, wie ich mich verändere. Ich hoffe, es ist eine Veränderung zum Bessern, doch ich gebe zu, ich bin mir nicht sicher. Wenn ich ganz ehrlich schreiben soll, muss ich zugeben, dass sich für mich sogar die Bedeutung des Wortes ›Hoffnung‹ verändert hat.
Ich bin so verwirrt! Und ich habe solche Angst.
Nur in einem bin ich mir absolut sicher, und das ist, dass ich dem Hause Wheiler entfliehen muss, koste es, was es wolle. Arthur Simpton bietet mir einen schlüssigen und sicheren Ausweg, und ich habe ihn angenommen.
Ich bin nicht mehr das kichernde Mädchen, das ich noch vor acht Tagen war, nach jenem ersten Abend, an dem Arthur und ich uns unterhalten haben. Ich finde ihn immer noch charmant und liebevoll und natürlich hübsch. Ich glaube, ich könnte ihn lieben. Eine wunderbare Zukunft liegt für mich in greifbarer Nähe. Warum breitet sich in mir dann diese wachsende Kälte aus? Haben die Furcht und der Hass, den ich Vater gegenüber empfinde, begonnen, mich zu verderben? Der Gedanke lässt mich erzittern.
Vielleicht werde ich Antworten auf meine Fragen finden, indem ich mir die Ereignisse der letzten Tage ins Gedächtnis rufe.
Arthurs Besuch im Garten hatte meine Welt völlig auf den Kopf gestellt. Plötzlich fürchtete ich die Dinnerparty am Samstag nicht mehr – im Gegenteil, ich zählte die Stunden bis dahin. Mit Feuereifer vertiefte ich mich in den Speiseplan, die Dekoration und jedes kleinste Detail meines Kleides. Hatte ich zunächst gleichgültig die Köchin gebeten, eines der Fünf-Gänge-Menüs aus Mutters altem Ideenbuch für Feste wiederauferstehen zu lassen, so stieß ich diesen Plan nun komplett um. Ich zerbrach mir den Kopf und wünschte, ich hätte besser – oder überhaupt jemals – aufgepasst, wenn Vater und Mutter sich in der Zeit, ehe sie sich wegen ihrer Schwangerschaft aus der Gesellschaft zurückziehen musste, über ein besonders glanzvolles Mahl auf einer Abendgesellschaft unterhalten hatten. Endlich fiel mir ein, wie sogar Vater ein Dinner im Universitätsclub sehr gelobt hatte, das seine Bank zu Ehren der Architekten der Ausstellung gegeben hatte. Ich bat Mary, deren Schwester eine der zahllosen Köchinnen des Universitätsclubs war, mir eine Abschrift des Speiseplans zu besorgen, und war freudig überrascht, als sie nicht nur mit einer Liste der Gänge wiederkam, sondern auch mit der der dazu zu reichenden Weine. Unsere Köchin, die – wie ich glaube – meine bisherigen Versuche, Menüpläne zu erstellen, meist geduldig und mitleidig ertragen hatte, begann mir tatsächlich Respekt zu zollen.
Als Nächstes änderte ich die Tischdekoration. Ich wollte den Garten ins Haus bringen, um Arthur an unsere gemeinsamen Minuten zu erinnern. Also ließ ich die Gärtner unter meiner Aufsicht ganze Garben der duftenden Prachtlilien aus den Beeten schneiden – nur diejenigen in der Umgebung des Brunnens bat ich sie, zu schonen. Aus den Marschen am See hieß ich sie Rohrkolben bringen, außerdem lange Schleppen von Efeu. Dann machte ich mich daran, unzählige Vasen mit Lilien, Rohrkolben und überquellendem Efeu zu füllen in der glühenden Hoffnung, dass Arthur sie bemerken würde.
Und mitten im Strudel meiner selbstauferlegten Betriebsamkeit bemerkte ich etwas unerhört Interessantes: Je bestimmter ich meine Forderungen stellte, umso bereitwilliger gehorchte man mir. War ich bisher auf Zehenspitzen durch unser Haus geschlichen wie der scheue Geist des Mädchens, das ich einst gewesen war, so schritt ich nun entschlossen einher und gab selbstsicher meine Anweisungen.
Ich lerne unablässig. Diese Lektion aber erscheint mir eine der wichtigsten zu sein. Es scheint, als gäbe es eine bessere Art, meine Umgebung meinem
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