Neferets Fluch ( House of Night Novelle )
Willen zu beugen, als die meiner Mutter. Sie ließ die Überredungskunst ihrer Schönheit und ihrer sanften, wohlklingenden Stimme für sich arbeiten. Ich entdecke gerade, dass ich ein festeres Regime bevorzuge.
Ist das falsch von mir? Gehört das zu jener Kälte, die sich in mir ausbreitet? Doch wie kann es falsch sein, Selbstvertrauen und Kontrolle zu gewinnen?
Ob richtig oder falsch, ich setzte meine neu gewonnene Erkenntnis auch bei der Wahl meines Kleides ein. Vater hatte natürlich darauf bestanden, dass ich wieder eines von Mutters grünen Samtkleidern tragen sollte.
Ich weigerte mich.
Oh, ich war nicht so dumm, ihm offen zu widersprechen. Ich wies einfach jedes der grünen Kleider zurück, die Mary mir hinhielt. Und hätte sie mich noch vor Tagen so lange bearbeitet, bis ich nachgegeben hätte, so verwirrte mein neues, entschiedeneres Verhalten sie sichtlich.
»Aber Kind, Sie müssen eines von den Kleidern Ihrer seligen Mutter tragen, das hat Ihr Vater recht eindeutig gesagt«, protestierte sie ein letztes Mal.
»Ich werde Vaters Bitte nachkommen, aber zu meinen eigenen Bedingungen. Ich bin kein Anziehpüppchen, sondern die Dame des Hauses Wheiler.« Ich trat an meinen Wandschrank und zog aus seinen Tiefen das Kleid, das ich zu meinem Debüt hatte tragen wollen. Es war aus cremefarbener Seide, der Rock mit Kaskaden grünen Efeus bestickt. Das Dekolleté war züchtig, betonte jedoch meine Formen. Der Rock war ausladend weit, die Taille hingegen so eng angesetzt, dass meine Figur die perfekte Sanduhrform haben würde. Meine Arme ließ es in schicklicher, aber reizvoller Weise bloß. Ich reichte das Kleid Mary. »Nimm einen grünen Samtgürtel und eine Schleife von einem von Mutters Kleidern. Ich werde den Gürtel um die Taille tragen und die Schleife seitlich am Mieder. Und bring mir auch eines ihrer grünen Haarbänder. Das werde ich als Halsband tragen. Wenn Vater mir Vorhaltungen machen sollte, kann ich guten Gewissens antworten, dass ich wie gewünscht den grünen Samt meiner Mutter trage.«
Mary runzelte die Stirn und murmelte etwas vor sich hin, doch sie tat wie gebeten. Alle taten wie gebeten. Selbst Vater gab nach, als ich mich am Freitag weigerte, zum GFWC zu gehen – ich sagte, es sei einfach noch zu viel zu tun.
»Nun, Emily, morgen muss alles bestens sein – alles bestens. Da ist es durchaus verständlich, dass du in dieser Woche deine Wohltätigkeitsarbeit vernachlässigst. Es ist löblich zu sehen, wie ernst du deine Verantwortung als Dame des Hauses Wheiler nimmst.«
»Danke, Vater«, antwortete ich mit denselben Worten wie schon so oft, doch diesmal sprach ich nicht zart und schmeichelnd und mit gesenktem Kopf. Ich sah ihm direkt in die Augen und fügte hinzu: »Und heute Abend wird es mir nicht möglich sein, mit dir zu dinieren. Es gibt noch zu viel zu organisieren, und die Zeit ist knapp.«
»Nun wohl, nun wohl. Aber nutze deine Zeit nur gut, Emily.«
»Oh, darüber mach dir keine Sorgen, Vater. Das werde ich.«
Vor sich hin nickend und in Gedanken versunken, schien Vater nicht einmal zu bemerken, dass ich das Zimmer verließ, ehe er mir erlaubte zu gehen.
Es war ein herrlicher Luxus, George am Freitagabend zu befehlen, mir das Abendessen auf einem Tablett in meinen privaten Salon zu bringen. Ich aß in vollkommenem Frieden, trank ein kleines Glas Wein dazu und zählte zum wiederholten Male die goldumrandeten Antwortkärtchen durch – tatsächlich waren alle zwanzig Einladungen angenommen worden.
Die Anwortkarte der Simptons legte ich ganz oben auf den Stapel. Dann streckte ich mich auf dem Diwan aus, der vor meinem winzigen Balkon stand, und blätterte beim Licht ganzer sechs Kerzen den neuesten Katalog des Kaufhauses Montgomery Ward durch. Zum ersten Mal glaubte ich, es könnte vielleicht doch ganz nett werden, die Dame des Hauses Wheiler zu sein.
Trotz meiner freudigen Erregung durchzuckte mich ein schwindelerregender Schauder der Nervosität, als Carson am Samstagabend verkündete, die ersten Gäste träfen ein. Während Mary mir das schmale grüne Samtband um den Hals legte, warf ich einen letzten Blick in den Spiegel.
»Ach, was für eine Schönheit Sie sind, Kind«, sagte sie. »Sie werden glänzen heute Abend.«
Ich hob das Kinn, verbannte den Geist meiner Mutter aus meinen Gedanken und sagte zu meinem Spiegelbild: »Ja, das werde ich.«
Als ich die Treppe herunterkam, wandte Vater mir gerade den Rücken zu. Er war bereits in ein angeregtes Gespräch mit
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