Nehmen Sie doch Gift darauf!
alten Portier, ob er Irma gesehen habe,
was er jedoch verneinte. Diese Auskunft machte mich einigermaßen unruhig, und
ich rannte durch den Flur wieder zu Irmas Garderobe. Diesmal hielt ich mich
nicht mehr lange mit Klopfen auf, sondern sondern stürzte hinein.
Sie saß vor dem Frisiertisch,
nur mit einem winzigen Höschen bekleidet. Ihr Kopf war auf die Tischplatte
gesunken, so daß ihr langes blondes Haar über die Arme herabhing und leicht in
dem Luftzug wehte, der durch das öffnen der Tür entstanden war. Ich blieb
mitten im Raum stehen. Halb unbewußt hörte ich, wie die Tür wieder zuschlug.
Während ich auf den Messergriff starrte, der zwischen ihren Schulterblättern
herausragte, zog sich mir die Kehle schmerzhaft zusammen. Um den Einstich hatte
sich ein klebriger, dunkler Rand gebildet, und glänzende Rinnsale von rotem
Blut liefen über ihren Rücken, um an den Hüften langsam zu Boden zu tropfen. Es
klang, als sei ein Wasserhahn undicht. Dann konnte ich den Anblick nicht mehr
ertragen. Ich öffnete den Mund, um loszuschreien, doch eine Hand preßte sich
fest auf meine Lippen, bevor ich einen Laut hervorbringen konnte.
»Nur einen Ton, Goldköpfchen«,
flüsterte mir eine grobe Stimme ins Ohr, »und ich mache dich kalt .«
Dann klammerte sich eine zweite
Hand wie ein Schraubstock um meinen Hals, bis ich nicht mehr atmen konnte.
In diesem wahnwitzigen
Augenblick erst wurde mit bewußt, daß Irma ja dunkle Haare hatte. Das einzige
Mädchen im Klub mit langen blonden Haaren war Salome, und es war ihre Leiche,
auf die ich starrte, während mich ihr Mörder langsam erwürgte.
4
Mich langsam erwürgte!
Wie konnte ich nur untätig
dastehen, während mir doch die schwarzen kreisenden Punkte vor meinen Augen
mein nahendes Ende ankündigten? Glücklicherweise hatte ich in der Absicht zu
schreien den Mund bereits geöffnet, als sich die Hand darauf legte, so daß es
mir nicht allzu schwer fiel, meine weibliche Aversion gegen undamenhaftes
Verhalten zu überwinden und meine Zähne möglichst tief in die widerlich
verhornte Handfläche zu graben.
Das Ergebnis war ein
unmenschlicher Schrei, aber ich vergeudete keine Zeit, mich daran zu ergötzen.
Während er brüllend versuchte, seine Hand meinen zusammengebissenen Zähnen zu
entreißen, stampfte ich kräftig mit dem rechten Fuß auf die Erde. Beim dritten
Aufstampfen löste ein herzzerreißendes Gewimmer das Brüllen ab: als nämlich
mein Absatz endlich gefunden hatte, was er suchte, und sich in den Spann seines
Fußes bohrte. Die Hand um meinen Hals löste sich augenblicklich, und gleich
darauf bekam ich einen brutalen Stoß in den Rücken.
Während ich zur Seite flog,
schoß mir im Bruchteil einer Sekunde durch den Kopf, daß ich die Wahl hatte,
meine Zähne zu verlieren oder seine Hand loszulassen. So entschloß ich mich
zögernd für das letztere. Dann prallte ich gegen die Wand und fiel kraftlos zu
Boden.
Der Anblick, der sich mir aus
der Froschperspektive bot, war einigermaßen befremdlich. Ein Mann balancierte
auf einem Bein und massierte wie wild den Fuß seines anderen Beins, während er
mit der freien Hand, die blutete, wie besessen in der Luft herumwedelte.
»Casey Jones !« stieß ich hervor, als ich endlich wieder japsen konnte. »Du Mörder!«
»Und was bist du ?« stöhnte er, ohne in seinen Leibesübungen nachzulassen.
»Ein Vampir?«
»Es ist jetzt nicht der rechte
Augenblick, über meinen Sex-Appeal zu sprechen«, fauchte ich. »Du hast die arme
Salome umgebracht und wolltest gerade auch noch mich erledigen. Versuche bloß
nicht zu leugnen! Ich habe noch die Druckstellen am Hals, die das beweisen !«
»Ich hätte mir denken können,
daß du dazwischenplatzen und alles durcheinanderbringen würdest«, knurrte er.
»Ich habe hier gewartet, um Irmas Reaktion auf die Leiche zu beobachten. Aber
diese Möglichkeit hast du mir jetzt vermasselt .«
»Was soll das heißen, Irmas
Reaktion beobachten ?« Ich setzte mich mühsam auf. »Sie
hätte genauso reagiert wie ich. Wenn sie gemerkt hätte, daß die arme Salome
ermordet worden ist, wäre sie schreiend rausgerannt .« Ich sah verbittert zu ihm hoch. »Genau das wollte ich nämlich tun, du Mörder !« Ich öffnete den Mund, um einen durchdringenden Schrei
loszulassen.
»Nein, nicht doch !« flehte er. »Das ganze Haus läuft ja zusammen! Ich habe
das Mädchen nicht umgebracht, Mavis, wirklich nicht. Ich wollte nur einmal in
Ruhe mit Irma sprechen und bin höchstens eine Minute
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