Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nehmen Sie doch Gift darauf!

Nehmen Sie doch Gift darauf!

Titel: Nehmen Sie doch Gift darauf! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
Schreibtisch
und kam auf mich zu. Die raubtierhafte Art, wie er sich bewegte, versetzte mich
geradezu in Panik.
    »Oder vielleicht hat er dich
heraufgeschickt, um mich abzulenken, während er die Leiche wegschafft ?« schnarrte er. »Wie wär’s denn damit ?«
    Ich versuchte gar nicht erst,
seine Frage zu beantworten, weil ich viel zu sehr damit beschäftigt war, eine
Antwort auf eine viel wichtigere Frage, die mich persönlich betraf, zu finden:
Wie kommst du hier heraus, Mavis? Im nächsten Augenblick wurden es meine Beine
müde, auf eine Entscheidung meines Gehirns zu warten, sondern beschlossen, die
Dinge selber in die Füße zu nehmen.
    Einen kurzen Augenblick dachte
ich, ich würde die Tür vor ihm erreichen, aber es gelang ihm, mich an der
Taille zu packen. Bis zu dieser Sekunde hatte ich völlig vergessen, daß ich
noch immer meine Bühnenkleider trug, die sich natürlich genötigt sahen,
nachzugeben, so daß mein Rock sich um meine Knie verknäulte und ich der Länge
nach zu Boden fiel. Ein eiserner Griff spannte sich um meine Schulter und zog
mich wieder hoch. Da stand ich nun wieder einmal in einem schwarzen trägerlosen
Büstenhalter und passenden Höschen. Das Höschen war von hinten sogar besonders
niedlich anzusehen, denn es hatte auf einer Seite mit Silberfaden »Mavis«
eingestickt und auf der anderen »der Zirkus«. Merkwürdigerweise schien ich
jedesmal, wenn ich es mit dem Narbengesicht zu tun bekam, meine Kleider
loszuwerden! Ich konnte mir die Reaktion meiner Mutter vorstellen, wenn ich ihr
davon erzählt hätte!
    Der eiserne Griff wirbelte mich
herum, so daß ich ihn wohl oder übel ansehen mußte, und sein Gesichtsausdruck
genügte, um bei mir jegliche Hoffnung fahren zu lassen.
    »Ich möchte ein paar Antworten
haben«, flüsterte er bösartig. »Und ich werde sie bekommen, auch wenn ich’ dich
Stück für Stück auseinandernehmen müßte !«
    Johnny Rio hatte mir einmal
geraten, in brenzligen Situationen die Flucht zu ergreifen, oder falls das
unmöglich war, lauthals um Hilfe zu schreien. Besonders letzteres hatte sich
bei ihm zuweilen als äußerst effektvoll erwiesen. Wenn ein ausgewachsener Mann
losbrüllt, bringt das die meisten Leute aus der Fassung. Aber ich befand mich
in einer Sackgasse. Die Flucht war mir bereits mißlungen, und zu schreien wagte
ich nicht, weil Stenner mir vermutlich den Mund mit der Faust gestopft hätte.
So riskierte ich nicht allzuviel , wenn ich den Spieß
umdrehte und dem Narbengesicht meinerseits ein paar zweckdienliche Fragen
stellte. Sein raffinierter Plan war sonnenklar — er wußte, daß Salomes Leiche
über kurz oder lang gefunden werden würde, und hatte sich entschlossen, den
Mord Casey Jones anzuhängen. Falls es ihm jetzt gelang, mich genügend
einzuschüchtern, daß ich gestand, Casey zusammen mit der Leiche in Irmas
Garderobe angetroffen zu haben, würde sich Casey etwas einfallen lassen müssen,
um die Polizei von seiner Unschuld zu überzeugen.
    »Ich hätte ebenfalls einige
Fragen, Mr. Stenner !« sagte ich kühl.
    »Und zwar?« Seine Finger gruben
sich noch tiefer in meine nackte Schulter, so daß ich unwillkürlich
zusammenzuckte.
    »Wie groß ist zum Beispiel
dieser Spionagering, den Sie kontrollieren, Mr. Stamm ?« Der schmerzhafte Griff um meine Schulter lockerte sich, während er mich mit
hervorquellenden Augen anstarrte, und ich fühlte ein erstes schwaches Triumpfgefühl durch meine Adern ziehen.
    »Was ?« gurgelte er.
    »Vermutlich halten Sie sich für
besonders gerissen, weil Sie keine Briefträgeruniform tragen ?« Ich grinste ihm mokant ins Gesicht. »Sie dachten wohl, so würde niemand auf die
Idee kommen, daß Sie im Klub ein Postamt unterhalten ?«
    »Ein Postamt?« Seine Stimme
klang, als habe er den Mund voll überreifer Bananen.
    »Ein Postamt !« wiederholte ich überzeugter, als ich war, denn ich mußte zugeben, daß es mir
reichlich töricht vorgekommen war, als Casey zum erstenmal davon gesprochen
hatte. Ich meine, wer will schon einen Brief aufgeben, wenn sich »Katie die
Kobra« auf den Bühnenbrettern windet?
    Während mich Stenner noch immer
fassungslos anstarrte, als sei ich ein unzureichend frankiertes Paket, öffnete
sich die Tür hinter mir, und Marcus Adlers laute Stimme dröhnte: »Also hier
steckst du, Mavis! Ich habe dich schon überall gesucht !«
    Er kam auf uns zu, und Stenner
ließ zögernd die Hand von meiner Schulter gleiten, um den Anschein zu erwecken,
als hätten wir uns völlig harmlos

Weitere Kostenlose Bücher