Nehmen Sie doch Gift darauf!
unterhalten.
»He !« sagte Adler, der große Affe, fast verlegen. »Ich habe euch doch nicht etwa
gestört, oder ?«
»Natürlich nicht, Marcus«, erwiderte
ich schnell. »Mr. Stenner und ich haben nur über alten Zeiten gesprochen, nicht
wahr ?«
»Ja.« Stenner mußte zweimal
schlucken. »Von früher, als wir immer Postamt gespielt haben.«
»Postamt?« Adlers primitive
Gesichtszüge erschlafften. »Was ist denn das für ein Spiel ?«
Ich wollte vermeiden, daß
Stenner irgendwelche Erklärungen abgab, denn falls Marcus zu der Organisation
gehörte, wäre ich damit vom Regen in die Traufe gekommen.
Daher wandte ich mich ihm
schnell zu und bedachte ihn mit einem strahlenden Lächeln. »Es endet immer auf
die gleiche Weise, Marcus«, sagte ich, »nämlich so !« Dann warf ich ihm die Arme um den Hals und küßte ihn leidenschaftlich. Als ich
mich schließlich von ihm löste, war er nicht nur sprachlos, sondern auch mit
Lippenstift beschmiert. Ich zog meinen Rock hoch, der mir noch immer um die
Knöchel hing, befestigte ihn, raffte meine Bluse von der Erde hoch und raste
zur Tür.
»Ich muß mich jetzt beeilen«,
rief ich über die Schulter zurück. »Wiedersehn!«
»Was wird denn mit der letzten
Show ?« keuchte er außer sich. »Seid ihr beide okay ?«
»Sie können mit uns rechnen !« Ich blieb einen Augenblick am Ende des Flures stehen, um
ihm zu antworten. Und dann konnte ich der brillanten Eingebung nicht
widerstehen, die mich plötzlich überkam. »Ich glaube, wie Mr. Stenner sagen
würde, wir haben noch genügend stammina dafür !«
6
Zehn Minuten später war ich
nicht nur ziemlich verzweifelt, sondern auch außer Atem. Seit ich Marcus Adlers
Büro verlassen hatte, war ich ununterbrochen in Trab gewesen, um überall nach
Casey Jones zu suchen. Er war in keiner der Umkleidekabinen — ich hatte jede
einzelne kontrolliert und ein paar niederträchtige Blicke von Trude und Katie
einstecken müssen. Irma war bei meinem Anblick zusammengezuckt, hatte
instinktiv ihren Busen festgehalten und sich sofort zu Boden fallen lassen.
Casey blieb einfach verschwunden, obwohl ich ihn so dringend brauchte. Nach
dem, was ich Stenner über den Stamm und das Postamt an den Kopf geworfen hatte,
würde er mir bestimmt den Mund stopfen wollen. Also war keine Zeit zu
verlieren.
Ich erkundigte mich sogar bei
Joe, dem Kapellmeister, aber auch er hatte Casey nicht gesehen. Schließlich
fiel mir als letzte Möglichkeit die Kostümschneiderei ein, und so rannte ich an
den Umkleidekabinen vorbei bis zur Treppe, die ins Souterrain führte.
Es tröstete mich etwas, die
nette, alte weißhaarige Dame mit der unvermeidlichen Zigarette im Mundwinkel
wiederzusehen. Sie saß auf einem mächtigen Schrankkoffer, ein Glas in der Hand,
eine halb geleerte Flasche billigen Fusel neben sich. Als ich hereinkam,
blinzelte sie mir mißtrauisch entgegen, nachdem sie mich jedoch im Lichtkegel
der nackten trüben Glühbirne, die an einem staubigen Draht von der Decke hing,
erkannt hatte, nickte sie zur Begrüßung.
»Hallo, Goldköpfchen«, krächzte
sie. »Warum kommst du denn noch so spät eine alte Frau besuchen ?«
»Hallo, Sadie«, keuchte ich
atemlos. »Ich suche Casey, meinen Partner. Haben Sie ihn vielleicht irgendwo
gesehen ?«
Sie schüttelte langsam den
Kopf. »Und wenn er mir begegnet wäre, hätte ich ihm höchstens ins Gesicht
gespuckt«, bekannte sie mit heiserer Stimme. »Als er hier nur als Rausschmeißer
arbeitete, war es schon schlimm genug, aber nachdem er nun auch noch zum
sogenannten Künstler aufgerückt ist, scheint er restlos größenwahnsinnig
geworden zu sein .«
»Ich habe schon den ganzen Klub
auf den Kopf gestellt«, sagte ich. »Er kann sich doch nicht einfach in Luft
aufgelöst haben .«
»Ich würde das nicht für
unmöglich halten .« Sie zwinkerte verwegen, aber dann
merkte ich, daß ihr nur der Rauch ins Auge gestiegen war.
»Wie wär’s denn mit ’nem
Schluck ?« Sie ergriff die Flasche neben sich und hielt
sie mir entgegen. »Wo du schon einmal hier bist ?«
»Nein danke, Sadie«, erwiderte
ich.
»Na gut«, sie füllte sich ihr
Glas bis zum Rand, »ich will nichts von dem köstlichen Naß verschwenden. Setz
dich doch und ruh dich ein bißchen aus .«
»Schön wär’s ja«, entgegnete
ich. »Ich muß aber Casey so schnell wie möglich finden .«
»Wozu brauchst du denn diesen
Flegel so dringend ?«
»Er soll mich beschützen,
Sadie«, erwiderte ich in einem plötzlichen Anfall
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