Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz
sie an, doch auch seiner tröstlichen Wärme gelang es nicht, den Ansturm der Gefühle in ihr zu bändigen. Viel zu viele waren es, und sie
liefen kreuz und quer durcheinander wie eine aufgeregte Schar Hühner, wenn der Fuchs unter sie fuhr.
Ein Fuchs in der Gestalt eines gefährlichen Mannes, der viele Masken trug. Eine davon hatte er in dieser Nacht gelüftet. Sie hatte ihn für einen guten Freund, aber auch für einen unverbesserlichen Leichtfuß gehalten. Und nun erschütterte sie die Erkenntnis, welche Wünsche und Leidenschaften sich dahinter verbargen.
Schlaf kam nicht zu ihr, und immer wieder fingen ihre Augen das Funkeln von Gold und Edelsteinen auf, das das unstete Flämmchen des Nachtlichts auf der Brautkrone entstehen ließ.
38. Kapitel
M arians unbehagliche Stimmung hatte sich nach den sich überschlagenen Ereignissen vollkommen verflüchtigt. Fabio hatte wieder Zeit gefunden, mit ihm die Lektionen in Schrift und Sprache der Mauren aufzunehmen, er hatte ihm auch eine komplette Knochenhand mitgebracht, in einem Beutelchen, völlig unsortiert, und ihn aufgefordert, sie richtig zusammenzusetzen. Das war eine Herausforderung, der er nicht widerstehen konnte. Und so verbrachte er einige zufriedene Stunden in der Abgeschiedenheit des Studierzimmers damit, die siebenundzwanzig Teile in die richtige Anordnung zu bringen.
Bis seine Mutter ihre Arbeiten im Kontor beendet hatte.
Es konnte nicht ausbleiben, dass ihr die Vorfälle in Alyss’ Haus zu Ohren gekommen waren. Hedwigis’ Rauswurf hatte schnell die Runde in der Familie gemacht. Zwar hatte seine Schwester ihrem Onkel Peter Bertolf ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass über das Verschwinden der Brautkrone kein einziges Wort verloren werden sollte und schon erst recht nichts über den mutmaßlichen Täter, aber Marian war sich sicher, dass auf die Jungfer in der Hinsicht kein Verlass war. Sie würde sich ihrer Mutter Wiltrud anvertrauen, und deren Schadenfreude würde sich gar mächtig daran entzünden.
Und so war es denn auch.
Frau Almut trat in das Studierzimmer, eine schöne, würdevolle Erscheinung in einer schlichten, rostroten Houppelande, an deren tiefem Ausschnitt und den weiten Ärmeln schmale Streifen von schwarzem Pelz angesetzt waren. Es begleitete sie eine ebenso schwarze Katze, die sogleich auf den Tisch sprang und mit den sorgsam zusammengestellten Knöchelchen zu spielen begann.
»Ich werde einen weiteren Pelzbesatz aus dir machen, Beelzebub, wenn du deine Pfoten nicht davon lässt«, drohte Marian, und seine Mutter lachte.
»Dein Spielzeug ist sein Spielzeug.«
»Das ist kein Spielzeug, sondern anatomisches Übungsmaterial. Dies hier ist das letzte Glied eines kleinen Fingers.«
»Igitt!«
»Ganz trocken und schon viele Jahrhunderte alt.«
»Schon gut, schon gut, aber musst du das hier in der Stube aufbewahren? Ach ja, das musst du wohl. Immer noch besser
als deine Besuche in den Folterkammern. Aber darüber wollen wir schweigen. Erzähle mir lieber, wie ihr diesen kindischen Houwschild vertrieben habt. Ich hörte, er hat die Stadt recht überstürzt verlassen.«
»Er hatte jeden Grund dazu.«
Frau Almut setzte sich gemütlich in dem breiten Scherensessel zurecht und zog einen Zipfel der Pelzdecke über ihre Füße. Beelzebub ließ sich darauf nieder und schnurrte.
Marian fasste zusammen, was geschehen war, von Ebby und Heinis Ergreifung bis zur Befragung des Händlers und Aldenhovens großmütiges Angebot, auf die Anklage zu verzichten.
»Daran hat er wohlgetan. Ein solch missgünstiger Mensch bessert sich nicht dadurch, dass er bestraft wird und eine Buße auferlegt bekommt. Man schafft ihn sich am besten aus den Augen. Nur …«
Natürlich war es seiner Mutter nicht entgangen, dass er eine wesentliche Frage nicht beantwortet hatte. Eine törichte Hoffnung.
»Ja, Frau Mutter?«
»Die Brautkrone deiner Schwester hat er nicht geraubt. Und soweit ich die unsägliche Klatschbase Wiltrud verstanden habe, soll Arndt van Doorne sie mitgenommen haben, als er im Oktober abreiste. Warum erfahre ich das von der überstolzen Schnattergans und nicht von euch, Marian?«
»Weil wir es selbst erst wissen, seit Hedwigis zugegeben hat, dass sie heimlich die Krone betrachten wollte, kurz nach van Doornes Abreise.«
»Und was, bitte, fängt meine Tochter jetzt mit diesem Wissen an?«
Marian schwieg einen Moment, bevor er antwortete. Die Loyalität zwischen den Zwillingen war unverbrüchlich, und er wollte nichts über Alyss
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