Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz
recht.
»Dazu kommt, my Lady, dass ich Geheimnisse anderer zu hüten habe, deren Leben von meinem Schweigen abhängt. Ich bitte Euch, das zu verstehen.«
»Ja, John of Lynne, das tue ich.«
»Wenn gewisse Gefahren gebannt sind, werde ich Euch freimütig berichten und Zeugnis geben, wo immer es notwendig ist. Doch bis dahin, my Lady, erflehe ich Euer Vertrauen.«
»Ihr habt es, John of Lynne.«
Das flackernde Licht huschte über sein gleichmütiges Gesicht. Hell schimmerte die eine oder andere Strähne seines Haares auf, und die schweren Lider beschatteten seinen Blick.
Nein, sie konnte ihn nicht danach fragen, wo er die Krone gefunden hatte und wie sie in seinen Besitz gelangt war. Marian nahm an, dass er Arndts Geschäfte beobachtete. Vielleicht. Und vielleicht war es besser, sie wusste nicht, was auf den weit verzweigten Handelswegen geschah.
Sie war ihm dankbar, mehr als Worte ausdrücken konnten, dass er ihr die Krone zurückgebracht hatte. Aber dennoch schuldete er ihr Antworten.
Nicht zu Raub und Rückkehr. Andere.
»Tilo wird am Montag mit Euch aufbrechen. Ihr nehmt ihn auf eine weite Reise mit, und er wird viel Neues kennenlernen. Eure Heimat, John of Lynne, Eure Leute.«
»Ja, er wird viel hören und sehen, my Lady.«
»Und er wird viel berichten, wenn er heimgekehrt ist.«
»Das wird er.« Und dann lächelte John sie an. »Ihr habt die Kunst der Befragung gründlich gelernt, my Lady.«
»Ich hatte eine vortreffliche Lehrmeisterin. Meine Mutter wird von uns nicht umsonst mater inquisitoris genannt.«
Er nickte.
»Ja, auch sie entzückte mich mit ihrer Art des Ausforschens. Und Tilo wird Euch ein leichtes Opfer sein.«
Alyss schwieg. Schweigen war eine der subtilsten Arten des Fragenstellens. Es entfaltete auch jetzt seine Wirkung.
»Ja, my Lady. Ich werde Jung Tilo mit in mein Heim nehmen, und ich hoffe, dass er die Kälte dort erträgt.«
»In einem kühlen Teil Eures Landes?«
»Nein, my Lady. Im östlichen Teil, dort, wo das Nordvolk lebt. Ich baute in Kings Lynne ein Haus für mein Weib und mich vor neun Jahren. Doch ich betrete es selten, denn Margeret hat daraus ein karges Kloster gemacht. Sie ist zwar die Ehe mit mir eingegangen, doch sie gehört mit Leib und Seele ihren Herrn Jesus Christus. Fromm ist sie, eine genügsame, stille und bescheidene Jungfrau. Sie wäre mir gerne ein gutes Weib und fleht die Heiligen seit unserer Hochzeit an, ihr ein Kind zu schenken.«
»Nun, da Ihr selten Euer Heim betretet …«
Sie ahnte – mehr als sie es sah – den Hauch von Bitterkeit in seinen Zügen.
»Der Herr begnadet die Frauen mit Kindern.«
Alyss schluckte. Nun ja, sie hatte schon davon gehört, dass Jungfern, die sehr streng abgeschlossen in klösterlicher Umgebung aufgewachsen waren, von dem üblichen Verfahren nichts wussten. Allerdings half die Natur irgendwann doch nach, und wer mit einem Mann wie John … mhm … das Lager
teilte … Also, da musste man nun wohl wirklich schon sehr fromm und sehr kühlen Mutes sein.
»Man hat Eure Ehe vereinbart, nehme ich an.«
»Meine Mutter suchte die Braut aus.«
»Unter Umständen keine ganz glückliche Wahl.«
»In ihren Augen doch.«
»Und Euer Vater?«
»Fand sie akzeptabel.«
»So war nicht das der Anlass, dass Ihr Euch mit ihm entzweitet?«
»Nein, my Lady.«
Gut, an der Stelle war die Zugbrücke wieder hochgezogen worden. Aber sie hatte nun die Bestätigung dessen, was Marian vermutet hatte. Nur dass die Umstände dieser Ehe noch weit unglücklicher waren als gedacht. Kein Wunder, dass John sich bei den Schwälbchen vergnügte. Und es erklärte auch seine Abneigung gegen Klöster und mönchisches Leben.
»Nun, Tilo wird auch andere Gegenden Eures Landes kennenlernen und Eure Tuchmacher und Kaufleute«, schloss sie also begütigend. »Wie lange gedenkt Ihr zu bleiben?«
»Den Winter über, my Lady, ist es beschwerlich, über das Wasser zu reisen. Wir werden im Stalhof zu London bleiben, dort habe ich meine Geschäfte mit den hiesigen Waren abzuwickeln. Im Februar werden wir aufbrechen, um die Tuchmacher zu besuchen, und ich denke, das Osterfest wird Jung Tilo wieder im Kreise seiner Familie verbringen.«
Er war ein Meister des Verschweigens, und sie hasste ihn dafür, dass er sie zwang, nach seiner eigenen Rückkehr zu fragen. In seinem Gesicht bemerkte sie Genugtuung darüber.
Sie fragte nicht.
Sie gab sich hoheitsvoll.
»Ich danke Euch, John of Lynne, dass Ihr Euer Wort gehalten und mir meine Krone zurückgebracht
Weitere Kostenlose Bücher