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Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Titel: Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Knochen wuchsen von selbst zusammen, und die Bruchstelle mochte fester sein als die restliche Substanz. Das hatte er an den Gebeinen bei Fabio schon herausgefunden.
    »Zeigt mir, wo die Bruchstelle war, Gehilfe.«
    Marian tastete mit sorgsamen Fingern den Arm ab und wappnete sich. Der Schmerz saß tief, fühlte sich anders an als der der ausgerenkten Hüfte. Älter, verhärteter. Es würde dem Mann Höllenqualen bereiten, den Knochen noch einmal zu brechen. Und es würde schwierig sein und Kraft kosten.
    »Hier, Meister.«
    Der Henker tastete ebenfalls nach und bestätigte es durch ein Nicken.
    »Bringen wir es hinter uns, Meister Hans«, bat der Mann heiser. Die Frau trat neben ihn und fasste wieder seine Hand.
    »Tut es.«
    »Gut. Gehilfe, hierher. Fangt ihn auf.«
    Irritiert stellte sich Marian hinter den Sitzenden, und mit einer schnellen Bewegung griff der Henker nicht nach dessen Arm, sondern nach seinem Hals.
    Der Mann erschlaffte, fiel zurück. Marian hielt ihn, brauchte seine ganze Kraft. Und in dem Augenblick hatte Meister Hans auch schon den Oberarm mit beiden Händen gepackt. Ein hässliches Knacken erfolgte, und wie ein Feuerstrahl durchfuhr es Marian. Seine Sicht verschwamm, ihm wurde übel. Er wankte.
    »Haltet den Arm gestreckt, Gehilfe!«
    Es drang wie durch Wolle an seine Ohren. Die Frau übernahm seine Stelle und hielt ihren Gatten, während Marian versuchte, durch seine eigene Qual hindurch zu gehorchen. Es gelang ihm mit letzter Willensanstrengung, den Arm in der Position zu halten, die der Meister gefordert hatte. Der klatschte etwas ranzig riechende Salbe darauf und wickelte breite, feuchte Lederbänder um den eben gebrochenen Oberarm.
    »Nehmt die nicht ab, bis ich es erlaube!«, war seine kurze Anweisung.
    Der Mann erwachte aus seiner kurzen Bewusstlosigkeit und stöhnte.
    »Bringt ihn zu Bett. Gehilfe?«
    Marian schwankte und musste sich am Tisch festhalten.
    »Bringt meinem Gehilfen einen Becher Wein. Er ist solche Eingriffe nicht gewöhnt. Und nun gehabt Euch wohl!« Zu Marian gewandt sagte er dann: »Kommt, wenn es geht, nach. Ich habe Nachrichten für Euch.«

    Damit verschwand der Henker, und zitternd setzte sich Marian nieder. Ein Knecht und eine Magd kamen herbei und brachten den Händler vorsichtig aus dem Raum. Sein Weib sah ihm nach, aber sie schien den beiden zu trauen. Ihre Stimme klang mitleidig, als sie sich neben Marian setzte: »Es ist furchtbar, was er tun musste.«
    »Ja, Frau. Das ist es.«
    »Wie haltet Ihr das nur aus, wenn er die Gefangenen …«
    »Ich lerne nur die Heilkunst bei ihm.«
    »Oh, ja … Gut, wenn auch ein anderer das beherrscht.«
    »Er ist kein schlechter Mann.«
    »Kann man ein guter sein, wenn man töten muss?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Trinkt.«
    Dankbar nahm Marian den Wein. Sein Kopf dröhnte, und schwindelig war ihm noch immer. Um zu vergessen, was geschehen war, fragte er: »Mit wem treibt Euer Gatte Handel?«
    »Mit den Kaufleuten von Reval und Riga. Es ist ein weiter Weg und beschwerlich. Aber bisher war das sein einziger Unfall.«
    »Aber es lohnt sich, denn sonst würde er die Beschwernis nicht auf sich nehmen?«
    »Wir machen gute Geschäfte. Pelze, wunderschöne Pelze gibt es dort im Norden. Und ausgezeichnetes Wachs. Aber auch Bernstein. Ja, es ist lohnenswert, wenn man geschickt ist.«
    »Wie kann man bei solchen Gütern ungeschickt sein?«
    »Ach, ein Kaufmann, der sich zweitklassige Ware andrehen lässt, wird auch da übers Ohr gehauen.«
    Sie lachte dabei leise, und Marian hatte den Eindruck, dass
sie jüngst von einem solchen Beispiel gehört hatte. Er aber hatte nicht die Kraft, sie weiter auszuhorchen, sondern trank noch einen großen Schluck von dem sauren Wein.
    »Danke, Frau. Aber nun muss ich gehen und Ihr Euch um Euren Mann kümmern.«
    »Seid Ihr wieder erholt, junger Mann?«
    »So gut es geht.«
    Er hatte noch etwas weiche Knie, aber es war ihm möglich, ohne über seine Füße zu stolpern zur Huhnsgass zu gelangen, wo der Henker seine von der Stadt gestellte Wohnung hatte.
     
    Die Frau des Henkers war eine schüchterne Person, die ihn einließ und in ein hinteres Gemach führte, wo ihr Mann bei seiner Mahlzeit saß.
    »Nehmt, Ihr wart etwas grün im Gesicht.«
    »Danke, nein. Besser noch nicht.«
    »Wie Ihr wollt. Seht Ihr das da?«, fragte Meister Hans und deutete mit dem Ellenbogen auf ein kleines Figürchen.
    Marian nahm es auf und betrachtete die geschnitzte Heilige.
    »Ursula. Ihr erwähntet den entführten Jungen.

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