Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz
dadurch begleichen konnte, dass er seine Hälfte des Weingartens verkaufte. Arndt behielt sein Stück, ließ es aber herunterkommen. Sie selbst hatte vor fünf Jahren, als sie in das Haus ihres Gatten eingezogen war, begonnen, die Reben wieder zu kultivieren, weil es ihr von Kindheit an als eine erfreuliche Arbeit erschien.
»Mein Vater liebt die Arbeit mit den Reben und hat sie meinem Bruder Marian und mir schon früh beigebracht. Magister Jakob, als ich vor drei Jahren meinen kleinen Sohn durch einen Unfall verlor, war mir diese Arbeit lange Zeit Trost und Stütze.«
Magister Jakob wanderte in sich versunken die Rebreihen entlang. Sie folgte ihm und rief den Falken mit sanfter Stimme zurück. Gehorsam kam er auf ihre Faust und schlang das Stück Fleisch hinunter, das sie ihm bot. Sie strich ihm über den Rücken und murmelte leise einige Worte. Inzwischen ließ der Vogel sich das gefallen, doch ob er es mochte, war ihr noch immer nicht klar.
»Noch einen Flug, Jerkin?«
Sie hob den Arm, und er stieg wieder auf.
»Warum, Frau Alyss, hat Euer Gatte dann den Weingarten an den Ritter verkauft?«
»Weil er Schulden zu begleichen hatte. Bei mir, Magister Jakob. Er hatte für seine Geschäfte meine Mitgift aufgebraucht, und ich forderte sie von ihm zurück.«
»Dammich!«
Alyss zuckte fast zusammen, als sie diesen äußerst empörten Ausruf hörte.
»Ja, ich war nicht glücklich darüber. Und für das großzügige Angebot des Herrn von Merheim bin ich sehr dankbar.«
Der Notar schwieg wieder eine Weile, drehte sich um und stapfte zurück. Alyss rief den Falken und folgte ihm.
Am Tor zum Hof endlich blieb Magister Jakob stehen und sagte wie üblich tonlos: »Brautschatz geht vor allen Schulden.«
»Vermutlich. Doch fürchte ich …«
»Fürchtet nicht, Frau Alyss. Es gibt einen Weg. Wir werden ihn beschreiten. Habt Ihr gute Beziehungen zum Rat?«
Alyss dachte an ihren Vater und erlaubte sich ein winziges Lächeln.
»Ich setze sie nicht gerne ein.« »Gut, dann wird es ohne das auch gehen. Besser, man behält sich den Einfluss für echte Notfälle vor.«
»Das versteht Ihr?«
»Das ist eine gute Strategie in Rechtsdingen.«
»Was habt Ihr vor?«
»Wir werden Brautschatzfreiung für Euch beantragen. Gebt mir ein paar Wochen Zeit.«
»Oh … Ja, gerne. Nur, Magister Jakob, ich habe derzeit mein Geld in Waren investiert und weiß nicht, wann ich Euch bezahlen kann.«
»Bezahlen? Habe ich Bezahlung verlangt, Frau Alyss?«
»Ja, aber?«
»Habt Ihr Bezahlung für Brot und Wein und Polieren meiner Augengläser verlangt?«
»Ähm … nein.«
»Gut. Ihr hört von mir.«
Der Notarius drückte ihr den Münzbeutel in die Hand, und ohne weiteren Gruß strebte er zur Hofeinfahrt, doch seine Schritte wirkten beschwingt, ja geradezu energisch. Alyss sah ihm erstaunt nach. Es wirkte fast, als zöge der hagere, verstaubte Rechtsgelehrte in den Krieg.
19. Kapitel
A m Abend desselben Tages zog Marian wieder einmal die Kapuze seiner Gugel tief in die Stirn und machte sich auf, Meister Hans zu dienen. Diesmal führte ihn sein Einsatz nicht zu den kleinen Handwerkerhäuschen, sondern zu einem recht ansehnlichen Gebäude in der Nähe des Alter Marktes. Hier wartete ein magerer Mann mit sichtlich schmerzgepeinigten Zügen auf das Eintreffen des Meisters der Knochenbrüche. Marian kannte ihn flüchtig, er gehörte zu den Händlern, die im Osten ihre Geschäfte abwickelten. Sein Weib saß bei ihm in der Stube und hielt ihm die Hand. Marian rührte die kleine Geste an, denn was immer kommen mochte, die Behandlung würde schmerzhaft sein, und es war gut, wenn einem dann jemand zur Seite stand.
»Was ist Euch geschehen, dass Ihr Meister Hans rufen musstet?«, fragte er, um sich auf das Kommende vorzubereiten.
»Ich hatte einen Unfall auf der Rückreise, Sturm auf See, brach mir den Arm. Es gab keinen Arzt. Er ist falsch zusammengewachsen, und ich kann ihn kaum noch bewegen.«
Das hieß, dass der Henker ihn noch einmal brechen musste. Marian spürte, wie die Beklemmung auch ihn ergriff. In diesem Moment trat aber auch Meister Hans schon ein, geführt von einer verängstigten Magd. Er nickte Marian zu und stellte seinen Beutel auf den Tisch.
»Legt Wams und Hemd ab, ich muss mir den Arm ansehen! Setzt Euch auf den Schemel, die Lehne stört mich.«
Kurz angebunden, keine höflichen Floskeln, aber das erwartete man von ihm auch nicht.
Marian half dem Patienten aus den Kleidern und sah den verkrümmten Arm kritisch an.
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