Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz
Einer der Bettler, der heute seine Marke bei mir abholte, hatte es bei sich. Ich nahm es an mich und fragte nach dem Bengel. Er ist bei ihnen. Die Weiber scheinen einen Narren an ihm gefressen zu haben. Versucht es an der Klingelmanns Pütze. Dort haben die Bettler ihr Quartier.«
»Danke, Meister Hans. Das scheint mir eine nützliche Fährte zu sein.«
»Hoffentlich. Aber nehmt Euch vor der Gilde in Acht. Sie lieben keine Einmischung und sind rasch mit dem Knüttel bei der Hand.«
»Ich werde aufpassen.«
»Was war mit Euch bei dem Händler?«
»Eine kleine Schwäche, Meister Hans.« Marian verschwieg wie üblich seine mehr als lästige Gabe, die Schmerzen anderer erfühlen zu können, wenn er sich nicht dagegen wappnete. Nur seine Schwester wusste von dieser ungeliebten Eigenschaft. Und sicherlich John. Beide würden es jedoch niemandem verraten.
Aber gerade das brachte ihn dazu, dem Henker noch eine weitere Frage zu stellen, obwohl er merkte, dass der nun gerne alleine gelassen werden wollte.
»Meister Hans, was tatet Ihr mit dem Mann, dass er das Bewusstsein verlor?«
Ein kleines Lächeln umspielte die Lippen des Henkers.
»Einen Akt der Gnade, Herr Gehilfe. Die Schmerzen beim Brechen eines Knochens sind kaum zu ertragen, er hätte sich verkrampft, und der Bruch wäre vermutlich an der falschen Stelle geschehen.«
»Ein Würgegriff?«
»Nein, das Zudrücken einer Ader. Ich zeige es Euch, aber übt es nicht an guten Freunden.«
Ein kurzer Druck an Marians Hals, und es wurde ihm schwarz vor Augen.
»Oh«, sagte er.
»Wirkungsvoll. Doch ein wenig zu lange, und es ist das Ende.«
Einen kleinen Moment musste Marian nachdenken, doch dann nickte er.
»Ihr praktiziert es gelegentlich.«
»Wenn gewünscht.«
»Und bezahlt.«
»Auch Gnade hat ihren Preis. Und nun gehabt Euch wohl, Herr Gehilfe.«
20. Kapitel
W ar dieser vermaledeite John of Lynne? Alyss knurrte. Seit dem Mahl bei ihren Eltern war er spurlos verschwunden. Tilo hatte seine Eltern besucht, und auch bei Frau Mechtild war John nicht aufgetaucht. Wahrscheinlich trieb er sich wieder in den weichen Nestern der Schwälbchen am Berlich herum.
Und das, obwohl sie ihn jetzt beim Wort nehmen sollte.
Er wollte ihre Brautkrone wiederbeschaffen. Und sie wusste, wer sie gestohlen hatte.
Heini und Ebby, ein Mühlenstößer und eine Holzträgerin, beide gelegentliche Nutznießer der Armenspeisung von Sankt Aposteln, doch seit Tagen nicht mehr zum Essen erschienen.
Wo sie wohnten, wusste der Pfarrer nicht, hatte Jan ausrichten lassen. Sie waren keine häufigen Gäste dort.
Dass die beiden jetzt fernblieben, mochte verschiedene Gründe haben. Möglicherweise suchten sie Kilian, obwohl Alyss das nicht recht glauben konnte. Viel eher hatten sie sich mit der kostbaren Krone aus dem Staub gemacht. Selbst bei einem knickrigen Hehler würden sie dafür mehr Geld bekommen, als sie in ihrem ganzen Leben bisher besessen hatten.
Wo war dieser vermaledeite John?
Alyss versuchte ihren Zorn zu besänftigen, aber das Bild von John, wie er sich in den Laken einer der drallen Dirnen suhlte, stach wie ein Rosendorn in ihrem Herzen.
Eifersucht, wie widerlich. Und wie unangemessen.
Zum Glück wurde sie von ihren ungebührlichen Gedanken abgelenkt, denn ein lautes »Holla!« erklang im Hof, Karrenrumpeln, Herolds Krähen, Benefiz’ überschlagendes Freudengekläff.
John?
Nein, dennoch freute sich Alyss über die Ankömmlinge. Frieder war bereits vom hoch beladenen Karren gesprungen und kabbelte sich lachend mit dem Spitz, der versuchte, ihm das Gesicht abzulecken und gleichzeitig mit dem fehlenden Schwanz zu wedeln. Peer schirrte schon den schweren Gaul ab und strahlte ebenfalls über sein verwittertes Gesicht. Hilda kam mit einer Kanne Bier aus der Küche und kredenzte den Willkommenstrunk. Lauryn schubste Benefiz weg und fiel ihrem Bruder um den Hals, Tilo drängte sich dazu und bekam einen Schmatz von Lauryn mit ab. Nicht zufällig, nahm Alyss an.
Auch sie eilte hinzu und schloss sich den Fragen der anderen an.
»Oh, Frau Alyss, wir haben solche Geschäfte gemacht! Glaubt mir, die Pelze hat man uns förmlich aus der Hand gerissen. Und wir haben Weine gekauft, erstklassige Weine. Und das ist erst die erste Fuhre, auf dem Schiff ist noch einmal so viel. Doppelt so viel, wie Ihr geordert habt, Frau Alyss, weil wir die Pelze so gut verkaufen konnten.«
Etwas behäbiger bestätigte ihr Handelsknecht Peer diesen
glücklichen Umstand und wischte sich zufrieden
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