Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Titel: Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
dann bist du auch gegen die Bettler gewappnet.«
    »Ich hoffe es.«
     
    Aber das waren sie nur knapp. Als die Glocken zur Terz läuteten, kamen Marian und Frieder recht zerzaust, aber ohne Kilian zurück. Doch obwohl Schmutz und blaue Flecken hier und da an ihnen zu beobachten waren, zeigten beide beste Laune, ja, sie fingen sogar immer wieder völlig sinnlos an zu gackern, als sie in den Hof traten, in dem Alyss eben die Hühner fütterte.
    Frieder musste sich sogar auf die Bank an der Hauswand setzen, so sehr schüttelte ihn das Lachen.
    »Oh, Frau Alyss!«, keuchte er. »Was für ein Satansbraten!«
    »Ihr habt eine Spur von Kilian gefunden?«
    »Breit wie die Schneise, die eine Windhose schlägt«, kicherte Marian. Dann lehnte auch er sich an die Wand, bebend vor Lachen.
    »Kurzum, seine Leiche wurde nicht am Rheinufer gefunden?«
    »Er entkam jedoch diesem Schicksal nur knapp.«
    Und dann erfuhr das versammelte Hauswesen staunend, was Marian und Frieder zunächst von den Wachen, dann aber auch von einigen der Bettler über Kilian erfahren hatten. Der Junge war zunächst freundlich von der Gilde aufgenommen
und von den Weibern verköstigt worden, hatte aber eine bemerkenswerte Wissbegier entwickelt, was die vielfältigen Gebrechen betraf, mit denen die Ärmsten der Armen das Mitleid der Almosengeber zu wecken geübt waren. Leicht verwesende Kalbsfüße, hübsch in schmierige Lumpen gewickelt, ersetzten schwärende Gliedmaßen, farbenprächtige Tinkturen gaben den ausgezehrten Gesichtern den appetitlich grindigen Anblick, geschickt unter Leib und Rock gebeugte Knie stellten arme, beinlose Veteranen dar.
    Marian und Tilo machten sich also auf die Suche nach dem krummen Aleff, dem sich Kilian angeblich auf seinen Heischegängen angeschlossen hatte. Dieser bedauernswerte Mensch hockte auf einem Holzbrett, das auf vier Rädern lief, und stelzte sich mit zwei kurzen Krücken mühselig über das Pflaster voran. Wie es hieß, erwirtschaftete er damit recht ordentliche Einnahmen.
    Sie fanden tatsächlich den Bettler und entdeckten auch Kilian.
    »Wir wollten ihn nicht auf offener Gasse einfach packen und mitnehmen, Schwester mein, denn das hätte doch zu sehr Aufsehen erregt.«
    »Außerdem, Frau Alyss, war dieser Satansbraten gerade dabei, einen gar teuflischen Plan auszuführen.«
    Er hatte nämlich mit ein paar Wurstzipfeln in seiner Tasche die streunenden Hunde angelockt. Ein Stückchen davon war an dem hinteren Rockzipfel des krummen Aleff mit einem Bändchen angebunden. Just als sie an der Dombaustelle angekommen waren, hatte Kilian die restlichen Wurstzipfel hervorgeholt und von hinten unter das Rollbrett geworfen. Die Hunde stürzten sich darauf, und eine schrille Warnung vor der
angreifenden Meute schreckte den krummen Aleff dermaßen auf, dass er flugs seine vorgeblich nicht vorhandenen Beine unter den Arm nahm und floh, die Hunde auf seinen Fersen. Kilian aber bemächtigte sich des begehrten Holzbretts. Mit einem Juchzen war er darauf gesprungen und mit lautem Rattern und Klappern die Gasse zum Rhein hinuntergerodelt. Man hatte ihm begeistert applaudiert.
    Weniger begeistert war der geprellte Aleff. Denn nicht nur war sein Gefährt schließlich in die Fluten des Stroms gesegelt, seine angebliche Beinlosigkeit war aufgeflogen, und die Meute drohte ihm deftige Prügel wegen seiner Täuschung an.
    »Frau Alyss, wir haben es versucht. Wir sind hinter Kilian her wie der Teufel hinter der armen Seele. Aber kurz vor dem Rheinufer sprang er ab und verschwand spurlos in der Menge. Das Brett aber versank wortlos in den Fluten des Stroms.«
    Da Marian und Frieder anschließend bei den Bettlern nach ihm gefragt hatten, wollte man sie für dieses Ungemach zur Verantwortung ziehen, und beide entkamen nur durch zielstrebige Flucht einer prächtigen Abreibung.
    »Aber, Frau Alyss, das war’s wert. Das war vielleicht ein Anblick, wie der Bengel die Gasse runtergerattert ist.«
    »Du hast das nicht nur gerne gesehen, Frieder, du würdest es ihm am liebsten gleichtun«, stellte Alyss fest und musste dann auch grinsen.
    Marian nickte. »Stimmt, Schwesterlieb. Ich könnte wohl auch kaum widerstehen.«
     
    So erheiternd diese Geschichte auch war, sie warf sie wieder weit zurück. Kilian war abermals verschwunden, und wo die findige kleine Rotznase seinen nächsten Unterschlupf gefunden
hatte, mussten sie erst wieder herausfinden. Dass er im Hafengebiet zuletzt gesichtet worden war, gab zu Recht Anlass zu Spekulationen. Was, wenn

Weitere Kostenlose Bücher