Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz
ich dir, aber ich habe etwas anderes zu tun, als mir mit Tändeleien die Zeit zu vertreiben. Also nimm die Hände weg.«
Eine Abweisung verstand der Riese nicht, oder besser, er empfand sie als Herausforderung und machte sich daran, sein Begehr mit größerer Leidenschaft auszudrücken. Mit Worten wie mit Taten.
Alyss sah sich gezwungen, ihre christliche Nächstenliebe über Bord zu werfen, hob den mit einer schweren Holzpantine
beschuhten Fuß und stampfte kräftig auf den Spann ihres Verehrers.
Holz knallte auf Holz, und der Mann lachte.
Der letzte Rest tugendhafter Weiblichkeit wich aus Alyss’ Seele. Mit nach innen geknickten Zeige- und Mittelfinger griff sie in Tünns Oberlippe und verdrehte sie mit einem Ruck.
Schmerzgepeinigt schrie er auf, lockerte den Griff um ihre Mitte, und sie hatte die Freiheit, mit Wucht das Knie nach oben schnellen zu lassen.
Das Röcheln hörte sich weit gedämpfter an als der erste Schrei.
Sie machte sich los und wäre auch entkommen, hätte sich nicht Frieder just in diesem Augenblick zu ihrem Retter aufgeschwungen. Peinlicherweise traf der tönerne Bierkrug nicht den Kopf des riesenhaften Arbeiters, der inzwischen gekrümmt an einem Kumpel lehnte, sondern den kahlen Schädel des anderen. Was wiederum diesen Mann dazu bewegte, seine Faust zu ballen. Sie traf Frieder unvorbereitet auf dem linken Auge.
Bevor er ein zweites Mal von dem Holzhammerschlag des Lastenträgers getroffen werden konnte, hatte Alyss einen eben frei gewordenen Schemel gepackt und schlug damit auf Frieders Angreifer ein. Das empfanden weitere Umstehende als Aufforderung, sich für die eine oder die andere Seite stark zu machen. Verzweifelt versuchte Alyss, sich dem Knäuel aus sich schlagenden und stoßenden Leibern zu entwinden und möglichst noch Frieder mit hinauszuschleifen. Aber es blieb ihr zunächst nichts anderes übrig, als den Schemel als Schild vor sich zu halten, sich zu ducken und ungezielten Tritten durch eiliges Tänzeln auszuweichen.
»Frau Alyss! Frau Alyss!«
Herrgott noch mal, wer rief denn nun auch noch ihren Namen?
Doch bevor sie tatsächlich zu fluchen begann, zog eine Hand sie am Halsausschnitt ihres Kittels nach hinten, sodass sie fast erwürgt worden wäre. Immerhin gelang es ihrem Retter so, sie aus dem dichtesten Kampfgetümmel zu zerren.
»Tilo!«, keuchte sie und ließ den Schemel fallen.
»Raus hier!«
»Frieder?«
»Macht Master John!«
Sie stolperten durch die Tür auf die Gasse, und Tilo drängte Alyss Richtung Groß Sankt Martin. Hier war es ein klein wenig ruhiger, und erschöpft lehnte sie sich an eine Hauswand.
»Das war dumm von mir«, seufzte Alyss und wickelte sich den unordentlich zerknüllten Schleier von den Haaren, um ihn neu zu binden.
»Wahrscheinlich. Aber Ihr habt das gut gemacht. Ich hab gesehen, wie Ihr mit dem Höckerchen zugelangt habt.«
Tilo grinste sie bewundernd an.
»Zuvor hab ich noch viel schlimmere Dinge getan.«
»Was? Wo habt Ihr Raufen gelernt? Euer Bruder, was? Der Herr Marian ist klein, aber tapfer, nicht?«
»Lass es gut sein, Tilo. Ich hoffe, Frieder kommt in einem Stück aus der Taverne.«
»Dafür wird Master John schon sorgen. Der hatte so ein Glitzern in den Augen, als wir reingingen.«
»Hatte er sein Schwert dabei?«, fragte Alyss in plötzlich aufsteigender Panik. Ein blutiges Gemetzel war das Letzte, dessen Ursache sie sein wollte.
»Nein, aber er hatte einen Knüttel. Ich denke, er kann damit ausreichend für Ruhe sorgen.«
Und danach sah es dann auch aus, denn gerade bog John, Frieder wie einen Sack Mehl über der Schulter, um die Ecke.
»Mistress Alyss, zu Euren Diensten!«
»Ist noch Leben in diesem Gepäckstück da?«
John drehte sich halb, und Frieder, mit bluttropfender Nase und einem zugeschwollenen Auge, grinste sie an und hob eine zerschrammte Hand zum Gruß.
»Hat sich im Eifer den Fußknöchel vertreten.«
»Und Ihr habt auch eine blutige Schramme am Kopf und – Blut am Bein?«
»Oh, jetzt, wo Ihr’s sagt. Da war einer mit einem Messer. Gehen wir nach Hause.«
»Ach ja«, ließ sich Frieder vernehmen, »der Teufelsbalg ist weg. Mitsamt dem Huhn auf dem Spieß.«
John humpelte nach wenigen Schritten so heftig, dass Alyss Frieder befahl, sich auf seine eigenen Füße zu stellen und sich auf Tilo zu stützen. Recht gemächlichen Ganges erreichten sie ihr Heim, und Alyss bugsierte die lädierte Mannschaft in die Küche.
»Lauryn!«
»Frau Alyss?«
»Lass den Kohl Kohl sein, heute bekommst
Weitere Kostenlose Bücher