Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz
wenn sie sich dem Mann nicht aufdrängt. Wenn er redliche Absichten hat, Hedwigis, wird er ohnehin mit deinen Eltern sprechen. Solange solltest du mit deiner Gunst geizen. Das mag ihn eher zum Handeln verleiten als allzu offene Tändelei.«
»Ja, Frau Alyss. Vielleicht habt Ihr recht.«
»Könnt sein.«
Alyss erhob sich aus dem Zuber und schaute sich nach Susi um. Die Zeit war vorangeschritten, und wenn sie vor Einbruch der Dunkelheit nach Hause kommen wollten, dann musste die Baderin nun ihre letzte Behandlung durchführen.
Die Magd führte sie auf ihre Frage hin wieder zu dem großen Badeofen, und Susi kam händereibend herbei.
»Schön aufgeweicht und locker, Frau Alyss?«
»Und aufgequollen wie ein Griespudding.«
»Dann zieht das Hemd aus und legt Euch hier auf die Bank.«
Mit kundigen Fingern grub sich Susi durch Alyss’ Muskeln, sparte die blauen Stellen aus und schwatzte wieder lustig vor sich hin.
»Der englische Kaufmann, der bei Eurer Tante wohnt, ist ein ansehnliches Mannsbild, nicht? Er kommt alle paar Tage her und lässt sich barbieren. Ich hab ihm neulich auch die Muskeln gewalkt. Das war mal ein Vergnügen. Sooo schöne breite Schultern. Das hat man sonst nur bei harten Arbeitern. Die anderen Kaufleute schwingen ja oft nur die Feder oder zählen ihre Münzen. Das ist gar nicht gut für den Rücken. Und dicke Bäuche bekommen die Pfeffersäcke auch alsbald. Aber dieser John hat einen schönen straffen Körper. Und seine Männlichkeit …«
»Ich glaube nicht, dass John of Lynne es zu schätzen wüsste, dass seine körperlichen Vorzüge in öffentlichen Badehäusern gepriesen werden«, zischte Alyss, der viel zu deutlich Johns nacktes Bein vor Augen stand. Und auch sie hatte vor einigen Monaten einmal seinen bloßen Oberkörper verarztet.
Ja, er war ein ansehnliches Mannsbild.
Aber fort damit!
Ein weit weniger ansehnliches ging ihr darauf durch den Sinn.
»Kommt eigentlich Magister Jakob, der Notarius, manchmal zu Euch, Susi?«
Susi begann zu kichern.
»Ja, der besucht uns auch alle Freitage. Das ist ein Kauz! Kennt Ihr ihn?«
»Wir haben geschäftlich miteinander zu tun. Ein Kauz ist er wohl, aber nicht uneben, will mir scheinen.«
»Nein, obwohl – nun, nicht wie jedermann.«
»Das sind Käuze selten.«
»Stimmt. Erst dachten wir ja, er hätte die Krätze oder gar den Aussatz, weil er immer ein ganz langes, dichtgewebtes Badehemd trägt und sich heimlich umzieht. Aber ich hab Pitter drauf angesetzt, dass er ihn vorsichtig fragt, und schon war alles in Ordnung. Er ist bloß sehr verschämt, der Herr Notarius.« Und wieder giggelte Susi, während sie Arnikasalbe vorsichtig auf Alyss’ wunde Stellen aufstrich. »Ich meine, ich mag ja Männer, die hübsch Haare auf der Brust haben. Aber der Ärmste ist von oben bis unten behaart wie ein wolliger Affe. Aber sagt’s bloß nicht weiter.«
Alyss schwor es bei den Heiligen Cosmas und Damian, den Patronen der Bader, dass nie ein Wort darüber ihre Lippen verlassen würde. Aber sie fürchtete um ihr Seelenheil, wenn sie dem wunderlichen Magister Hermanus das nächste Mal begegnen würde.
Immerhin körperlich und geistig aufgemuntert verließ sie bald darauf mit den Jungfern das Badehaus und kehrte zu ihren Pflichten zurück.
30. Kapitel
E s half, sich bis zum Umfallen mit den allgegenwärtigen Aufgaben zu beschäftigen, fand Alyss, denn die folgende Nacht hatte sie in tiefem, traumlosem Schlummer verbracht, bis der gnadenlose Herold seinen morgendlichen Schlachtruf aus seiner schwarzen Kehle ertönen ließ. Da Messe war, wollte sie mit ihrem Hauswesen zum Alter Markt gehen, um zu prüfen, was die fremden Händler anzubieten hatten. Eine ganze Reihe Anschaffungen für den Haushalt waren nötig, und es bereitete allen natürlich ein besonderes Vergnügen, auch einmal das auswärtige Angebot zu prüfen. Vom Niederrhein brachten einige Händler schön gemalte Gebetbücher, aus dem Osten boten Händlerinnen Silberschmuck an, aber besonders begehrt waren die Waren aus dem Morgenland, die die Venedighändler ausliegen haben sollten. Kostbare Gewürze, farbenprächtige Seiden, zierliche Glaswaren, Parfümöle, zierlichste Goldarbeiten und seltene Süßigkeiten aus Datteln, Feigen, Honig, Mandeln oder gar mit Zucker zubereitete Leckereien.
Doch Alyss kam nicht dazu, sich mit ihrem Trüppchen auf den Weg zu machen, sondern musste es Hildas gestrenger Aufsicht überlassen, denn Marian hatte sie aufgesucht und gebeten, ihn zu begleiten.
»Ich
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