Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)
das Auto ein Stück vorfahren würde, könnte er Fazekas’ Unterkunft vom Auto aus observieren. Sein Dilemma war lediglich, dass man dann die Motorhaube sehen würde, wenn man auf dieser Seite des Hauses aus dem Fenster schaute. Die nächsten Stunden – in denen es aufhörte zu regnen, aber eine extrem hohe Luftfeuchtigkeit blieb – verbrachte er damit, den Standort seines Autos zu tarnen. Dann fuhr er den Wagen ein Stück vor. An und für sich musste er nun ausreichend geschützt sein. Und durch die Windschutzscheibe hatte Nyberg einen perfekten Blick auf das Haus.
Auch wenn der Blick natürlich von dem zwei Meter hohen Stacheldrahtzaun gestört war, der um die Villa gezogen war, bis zur Rückseite des Gartens, von wo ein Wald relativ steil in die Ausläufer des Mátragebirges anstieg. Nyberg konnte von seinem Standort aus nicht die Wachen am Tor einsehen, aber das Wichtigste war ohnehin das Haus. Das Wichtigste war Fabien Fazekas. Und der befand sich in dem Haus. Das hier war sein Unterschlupf.
Gunnar Nyberg beobachtete das Gelände und dachte nach. Sein Plan war es, so lange auf seinem Posten zu bleiben, bis er sich ein Bild von der Lage gemacht hatte. In erster Linie über die Anzahl bewaffneter Wachen. Und im Idealfall, wo sich Fazekas aufhielt. Danach würde er sich auf eine Erkundungstour begeben. Aber die Lage war – ehrlich gesagt – nicht besonders gut.
Da piepste sein Handy. Eine SMS.
»Lagebericht?«
Nyberg hob seine linke Augenbraue und antwortete: »F in Haus in Gyöngyöspata, bewacht von schwer bewaffneter Bürgerwehrmiliz. Überwachung erfolgt in gestohlenem Wagen. Lage: mittelgut.«
»Assistenz erwünscht?«
Gunnar Nyberg lachte so laut, dass sein Echo durch den dunkelblauen BMW hallte. »Distanzassistenz?«, lautete seine elegante Antwort. Es war ein gutes Gefühl, sich so lange mit Worten beschäftigt zu haben.
»Was sagst du zu hochtechnologischer Distanzassistenz?«
Eine unerwartete Wärme durchströmte Gunnar Nybergs riesigen Körper. Man hatte ihn noch nicht aufgegeben. Er würde Paul Hjelm vorwerfen können, dass er ihn so lange hatte schwitzen lassen, aber er hatte nie vorgehabt, ihn aufzugeben. Er hatte nur den richtigen Augenblick abgewartet. Aber Nyberg wäre doch gerne vorgewarnt worden.
»Sehr gerne«, tippte er.
»Adresse?«
»Habe ich leider nicht. Kein GPS, habe altes Auto geklaut.«
»O.k. Ich orte dein Handy. Warte.«
Gunnar Nyberg wartete. In der Zwischenzeit holte er seinen Laptop aus dem Rucksack. Er hatte so eine Vorahnung, dass er zum Einsatz kommen würde. Aber er schaltete ihn noch nicht ein. Er wollte ihn voll aufgeladen lassen. Dann hielt er sein Handy hoch, mit dem Paul Hjelm ihn lokalisieren würde, um den Akku zu überprüfen. Es durfte sich auf keinen Fall abschalten. Ihm kam der Gedanke, ob sich auf dem Grundstück unter Umständen eine funktionierende Steckdose befand, aber das erschien ihm mehr als unwahrscheinlich. Das Unternehmen würde wahrscheinlich mit dem Ladezustand des Handys stehen und fallen.
Es verging etwa eine Viertelstunde, dann kam eine weitere SMS: »SMS verwenden, zieht weniger Strom.«
Kannst du jetzt auch schon meine Gedanken aus der Distanz lesen?, dachte Nyberg. Distanzgedankenlesen via Handy. Die neue App. Dann rief er sich zur Vernunft. Zum Glück zeigte der Akku noch zweiundachtzig Prozent an. Nyberg las den Rest der Mitteilung: »Karte zeigt eine Ruine. Größere Villa nebenan. Eingezäunt an drei von vier Seiten. Das?«
Oh geliebte Hochtechnologie, dachte Gunnar Nyberg und antwortete: »Genau das.«
»Hast du Internet?«
»Wenn du mir erlaubst, mich mit nicht ungarischem 3G einzuloggen?«
»Gib mir paar Minuten, besorge dir eine sichere Verbindung. Satellitenbild schicke ich als Link.«
Nyberg öffnete seinen Laptop, baute die Internetverbindung auf und folgte dem Link. Eine Luftaufnahme erschien auf dem Bildschirm. Es war die große Villa nebenan, nur eben von oben. Er erkannte ganz deutlich die eingestürzte Mauer des Nachbargrundstücks mit einem dunkelblauen BMW. Er hoffte inständig, dass die dort drüben nicht mit einer ähnlichen Hochtechnologie ausgestattet waren.
»Sehe«, schrieb Nyberg knapp.
»Gut«, antwortete Hjelm. »Überprüfe noch eine Sache, die funktionieren soll.«
»Was?«
»Will keine unnötigen Erwartungen schüren. Abwarten.«
Das tat er. Gunnar Nyberg legte den Laptop auf den Beifahrersitz und sah hinaus in die Dämmerung. Ein Mann trat auf den Balkon, der zum Tor zeigte. Er war
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