Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)
sollte.
So musste es gewesen sein. Michel Cocheteux hatte sich seine Hände nicht schmutzig gemacht. Plan G beziehungsweise »Plan Gasolin« war Asterions Werk, das Werk von Christopher James Huntington. Er hatte Fabien Fazekas die eine Flanke übergeben und sich selbst um die zweite Flanke gekümmert. Denn er musste die Fortschritte des Forscherteams an der KTH in Stockholm im Auge behalten.
Paul Hjelm hatte die Nacht mit den Tagebucheinträgen von Professor Niels Sørensen verbracht. Beängstigende, aber auch poetische Zeilen. Sørensen hatte ein ihm selbst wohl unbekanntes poetisches Talent besessen. Aber vor allem wurde Hjelm eines klar: Es war durchaus denkbar, dass dieser Wissenschaftsjournalist in Chicago im Mai diesen Jahres, der Sørensen auch aller Wahrscheinlichkeit nach am 30. Juni in Hornstull umgebracht hatte, kein anderer gewesen war als Christopher James Huntington höchstpersönlich.
Der Einsatz in Andalusien, in Estepona, hatte sie gelehrt, dass Christopher James Huntington sehr gerne persönlich operativ tätig war, auch wenn er der Chef war. Genau wie er selbst, schoss es Paul Hjelm durch den Kopf.
Plan G war eindeutig Asterions Werk. Im Auftrag des Vorstandsvorsitzenden des Mineralölunternehmens Entier S. A, eines Supermajors in der Ölindustrie.
Und mit Unterstützung der wohl gefährlichsten Mafia Europas.
Während Paul Hjelm am Flussufer entlanglief, pfiff er einen alten Klassiker. Es dauerte einen Augenblick, bis ihm bewusst wurde, dass es »It’s a wonderful world« war.
Zwillinge
Utrecht – Amsterdam, 7. Juli
Kerstin Holm hatte sich von diesen Wochen so einiges erhofft. Zum Beispiel, dass Paul mehr Zeit haben würde und sie gemeinsam einen schönen Sommer verbringen und Holland, vielleicht auch Belgien und Luxemburg näher erkunden könnten. Stattdessen war er so beschäftigt wie nie zuvor.
Und bei ihrem einzigen Arbeitseinsatz hatte sie im Gegenzug den Tod eines Kindes auf ihr Gewissen geladen. Sie kam nicht darüber hinweg. Es war schlichtweg unmöglich. Paul hatte es einfach weggewischt, aber Kerstin konnte das nicht. Es verfolgte sie Tag und Nacht.
Während der gestrigen Aktion in Amsterdam hatte sie die stellvertretende Leitung in Den Haag übernommen. Sie hatte sich etwas davon versprochen, war besserer Laune gewesen, aber in Den Haag hatte sich nichts, absolut gar nichts ereignet. Alles hatte in Amsterdam stattgefunden.
Die Ermittlungen im Mord an dem zwölfjährigen Liang Zunrong steckten fest. Die Kollegen der Amsterdamer Polizei waren dafür zuständig, und es ging einfach nicht voran. Keine Zeugen, niemand wusste etwas. Kerstin Holm hatte das dumpfe Gefühl, dass sich der Fall ziemlich bald in die zahllosen ungelösten Fälle einreihen und von dem gigantischen Archiv der Ungerechtigkeit verschluckt werden würde.
Und da sie sich außerdem zu Tode langweilte, während alle anderen im Zentrum von Amsterdam Teil eines aufregenden Einsatzes waren, war die Lage für sie auf dem besten Wege, unerträglich zu werden. Sie war drauf und dran, sich einfach in das nächste Flugzeug zu setzen und nach Stockholm zurückzukehren, zu ihrem Sohn Anders und in das Polizeipräsidium auf Kungsholmen, zu allem, was ihr vertraut und wichtig war.
Da klingelte das Telefon. Sie wusste kaum, wie sie sich melden sollte, und fühlte sich wie eine blutige Anfängerin.
»Ja«, sagte sie harsch.
»Ich würde gerne mit Kerstin Holm sprechen«, erklang eine Stimme auf Englisch, die ihr irgendwie bekannt vorkam.
»Am Apparat«, antwortete sie.
»Hier ist Kommissar van der Heijden aus Utrecht, falls Sie sich an mich erinnern. Sie hatten mich vor dem unglückseligen Vorfall mit dem jungen Chinesen Liang Zunrong aufgesucht.«
»Ich erinnere mich«, entgegnete sie knapp.
»Ich habe Neuigkeiten«, sagte Kommissar van der Heijden.
Das war gestern gewesen. Einen Tag später saß sie ihm im Utrechter Polizeigebäude gegenüber. Sie hatte ihn als einen fähigen und scharfsinnigen Polizisten wahrgenommen, vorsichtig mit unüberlegten Äußerungen, jedoch klar in seinen Ansichten.
Jetzt sagte er: »Sie haben sich für ein Zwillingspaar interessiert, das im Oktober 2005 nach Schweden kam und nur wenige Tage später verschwand. Wang Cheng und Wang Shuang. Die beiden waren damals dreizehn Jahre alt.«
»Das ist richtig.«
»Ich habe etwas getan, was womöglich juristisch nicht ganz einwandfrei ist«, gestand van der Heijden, ohne seinen Blick von ihr zu wenden. »Wollen Sie es dennoch
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