Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)
Dünnes. Hjelm spürte, wie ihm alle Farbe aus dem Gesicht wich.
»Geht es Ihnen nicht gut?«, fragte Morandi besorgt.
»Nennen Sie mir bitte den Codenamen.«
»Ich kann mich nicht an ihn erinnern.«
»War es Natz?«
Schweigend saß Morandi da. Eine ganze Weile. Dann rief er mit leuchtenden Augen: »Nein, aber jetzt ist es mir wieder eingefallen. Es war Minou.«
Paul Hjelm seufzte erleichtert auf.
»Minou? Haben Sie auch seinen richtigen Namen erfahren?«
»Es fielen keine richtigen Namen, darüber herrschte eine stillschweigende Übereinkunft. Aber soweit ich das mitbekommen habe, ist er ein hohes Tier bei einem der größten Unternehmen Frankreichs. Geschäftsführer und Vorstand.«
»Und welche Branche?«
»Das hier haben Sie auf keinen Fall von mir!«, beschwor ihn Morandi.
»Selbstverständlich nicht.«
»Kennen Sie den Ausdruck ›Supermajor‹?«
»Ich weiß nicht recht ...«
»Ein Mineralölunternehmen, das ein Supermajor ist, gehört zu den fünf, sechs größten privaten Unternehmen der Welt. Das ist wie die Champions League, die Königsklasse.«
»Was wollen Sie mir damit sagen?«
»Dass dieser Minou der Geschäftsführer eines solchen Unternehmens ist. Und es ist ja auch nur logisch, dass die Ölindustrie der größte Gegner von Elektroautos ist.«
»Und was wurde über diesen Plan gesagt?«
»Das G steht für Gasolin. Ein Gegenfeuer mit Benzin, sozusagen. Und es hieß, dass eine international tätige Sicherheitsfirma damit beauftragt werden würde, ihn auszuführen. Aber Genaues wusste da keiner. Ich habe das allerdings ziemlich ernst genommen und wollte Marianne vorsichtig warnen. Sie ist eine mutige Frau. Politisch vom rechten Kurs abgekommen, aber mutig. Sehr mutig.«
Während Hjelm durch das Europäische Viertel von Straßburg spazierte, dort, wo sich die Ill mit dem Canal de la Marne kreuzt und wo das Europäische Parlament, der Europarat und der Europäische Gerichtshof ihren Sitz haben, erhielt er die ersten Informationen über Minou via Handy. Das vierte und bisher unbekannte Mitglied der Orgien. Marianne Barrière, Pierre-Hugues Prévost, Ignatius Dünnes – und Michel Cocheteux.
Der Doktor der Betriebswirtschaft, der zuvor Politikwissenschaften und Wirtschaft an der Sorbonne studiert hatte. Nach dem Studium war er direkt in die Ölindustrie eingestiegen, bei dem französischen Unternehmen Entier S. A., das mittlerweile tatsächlich zu der Klasse der Supermajor-Unternehmen gehörte. Er kletterte relativ schnell die Karriereleiter hoch und war vor fünf Jahren zum Geschäftsführer ernannt worden. Heute zählte er zu den einflussreichsten Geschäftsmännern Frankreichs.
Paul Hjelm ärgerte sich darüber, dass er diese Verbindung nicht sofort erkannt hatte, beruhigte sich aber damit, dass sich zu viele Umwege aufgetan hatten. Aber jetzt fiel alles an seinen Platz.
Michel Cocheteux hatte zusammen mit Marianne Barrière Politikwissenschaften studiert, bis er sich auf die Wirtschaft konzentrierte. In dieser Zeit begannen sie, zusammen mit Mariannes Geliebtem Prévost, an sexuellen Orgien teilzunehmen. In Paris und in Berlin, wo sich auch Ignatius Dünnes von dieser Gruppe angezogen fühlte. Cocheteux erinnerte sich, dass Prévost Fotos von den Sessions gemacht hatte. Vielleicht hatte er sich sogar damals auf Spurensuche begeben, als er die Leiter in den Unternehmensolymp aufstieg, damit ihn solche Fotos nicht selbst eines Tages zu Fall bringen würden. Unter Umständen händigte ihm Prévost auch alle Fotos aus, auf denen er zu sehen war. Aber Cocheteux merkte sich, dass Marianne auf einigen der Aufnahmen in diskreditierenden Positionen zu sehen war. Und als sie dann einige Jahre später zu einer reellen Bedrohung seiner Branche und seines Unternehmens wurde, kontaktierte er Prévost ein zweites Mal. Der musste ihm allerdings mitteilen, dass diese Fotos bereits in die Hände von einem Mann namens Fabien Fazekas gelangt waren, der – direkt oder indirekt – im Auftrag der französischen Regierung gehandelt hatte, als Reaktion auf Mariannes Proteste gegen die Abschiebung der Roma aus Frankreich. Da sie dann allerdings gar nicht zum Einsatz kommen mussten, war Fazekas nach wie vor in deren Besitz, als ihn ein Mann namens Michel Cocheteux anrief. Oder und wahrscheinlicher: Er erhielt einen äußerst unheimlichen Anruf von einem Amerikaner namens Christopher James Huntington. Und Fazekas hatte schnell begriffen, dass man diesen Mann weder verraten noch enttäuschen
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