Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)
oben, zum Dach des Konzerthauses und der Obermaschinerie. Nichts. Dann stellte er die Wasserflasche auf das Rednerpult und machte der EU-Kommissarin Platz. Er schloss sorgfältig die Tür hinter ihr und trat an den Rand der Bühne, um den Zuschauerraum im Auge zu behalten. Auf dem oberen Rang sah er Kowalewski, auf dem unteren Hershey, er entdeckte Sifakis von sich aus gesehen rechts und Navarro links im Zuschauerraum, auf ihrer jeweiligen Seite der Sitzplätze im Parkett. Und er sah jede Menge Polizisten mit wachsamen Blicken.
Marianne Barrière begann zu sprechen. Aber es war kein Laut zu hören. Der Tontechniker saß am rechten Eingang zum Zuschauerraum, links von Hjelm also, in einem abgegrenzten Bereich, der etwa zehn Sitzplätze umfasste. Wie alle anderen Angestellten des Konzerthauses trug auch er ein rotes T-Shirt, und als Hjelm ihm einen bösen Blick zuwarf, kam endlich Leben in ihn.
Marianne Barrière begann:
Ja, ich befinde mich in einem Käfig, wie ein Tier im Zoo. Falls ich bis zum Ende meiner Rede komme, werden Sie wissen, weshalb. Bis dahin werden wir so tun, als wäre alles wie immer. Herzlich willkommen also, zu einer weiteren Rede im Rahmen der traditionellen Reihe »Die Sommerrede der EU-Kommissare«. Es ist wohltuend zu sehen, dass mehr als die üblichen zwanzig Reporter erschienen sind. Entweder stecken die europäischen Medien im Sommerloch, oder Ihre journalistischen Instinkte sind wieder zum Leben erwacht. Denn es dürfte klar sein, dass es hier nicht um das übliche, unverbindliche Geplänkel eines Politikers geht, dessen Hauptziel es ist, in großen Mengen EU -Gelder einzustreichen, und der es vermeidet, sich mit den falschen Leuten anzulegen, weil er so leicht und schmerzfrei wie möglich durch das Politikerdasein gleiten möchte. Nein, heute geht es um zwei wichtige Dinge. Es geht darum, eine spektakuläre Innovation europäischer Wissenschaftler zu präsentieren. Und es geht um einen Gesetzesentwurf, der seinesgleichen in der sechzigjährigen Geschichte der Europäischen Union sucht. Und deshalb stehe ich hier auch umgeben von Panzerglas, und meine Rede handelt von meinem langen Weg bis hierher.
Während der Rede sah Hjelm vom Bühnenrand zu Sifakis hinüber, der im Korridor bei dem mit einem Metalldetektor gerahmten Eingang zum Zuschauerraum stand. Sifakis sah sich um und spähte aus der Tür, wo er Söderstedt erkannte, der durchs Foyer wanderte und zu seiner Irritation feststellen musste, dass er die ganze Rede verpassen würde. Er sah aus dem Fenster zu dem bewachten Notausgang hinüber, auf Höhe des Cafés, und winkte Holm zu, die den Polizisten dort zunickte und in den unterirdischen Gang schlüpfte, wo sie der eine oder andere schwer bewaffnete Polizist grüßte. Das Unangenehme war, dass in ihren Augen dieser Gang der perfekte Zugang für einen Attentäter war. Holm kam zu der steilen Treppe, die zu den Rängen hochführte, und erreichte zuerst den unteren Rang, wo sie die Tür des Notausgangs öffnete und Hershey einen Blick zuwarf, die das Fernglas senkte und die Hand zum Gruß hob. Dann setzte sie es erneut an die Augen und ließ den Blick wieder über die Menge schweifen. Alles war in Ordnung, alles schien reibungslos zu verlaufen, aber die Minuten verstrichen sehr langsam. Hershey wandte ihre Aufmerksamkeit Navarro zu, der die rechte Seite des Zuschauerraumes von der Bühne aus überwachte. Er fing ihren Blick auf und winkte ihr zu, dann schaute er zu Kowalewski hinüber. Navarro winkte ihm ebenfalls zu, und Kowalewski drehte das Fernglas etwas gereizt zu der Tür am Ende des Ranges, weil dort gerade Bouhaddis Kopf erschien und sie eine Geste machte, die vermutlich »Alles okay« signalisieren sollte.
Sie wandte sich von den nervigen französischen Polizisten ab und sah die Treppe, die hinter die Bühne führte, hinunter, wo Balodis gerade eine leere Künstlergarderobe überprüfte und mit einem Nicken zu Bouhaddi hochsah. Balodis machte im Flur vor den Garderoben weiter. Es waren viele, beunruhigend viele Räume, sie waren zwar alle überprüft worden, aber das war eine Viertelstunde her, sogar länger als eine Viertelstunde. In der Zeit konnte viel passiert sein. Sie kam zu der Treppe, die zur Unterbühne führte. Beyer sah hinauf und machte eine fragende Geste, bevor Balodis den Daumen hochhielt und Beyer sich zurück ins Dunkle zu den drei bewaffneten deutschen Polizisten gesellte. Sie sah zu der Luke hoch, die sich direkt unter Marianne Barrières Füßen
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