Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)
wohl besser die Coffeeshops«, sagte Marianne Barrière. »Ich habe morgen früh ein Meeting in Brüssel mit Lobbyisten der Kernkraftindustrie, und ich habe gehört, dass Ihre wunderbare Konferenz morgen auch ziemlich früh beginnt.«
»European Police Chiefs Convention«, sagte Hjelm mit einem sonderbaren Tonfall.
»Tief in Ihrem Inneren sind Sie doch gar nicht so ein sauertöpfischer Miesepeter, Paul«, meinte sie lachend.
»Doch«, widersprach Kerstin Holm, »ich schwöre es!«
Kurz bevor sie die Brücke zum Festland erreichten, wurden sie erneut von der Bande sich selbst geißelnder Mönche überfallen, die ihre Peitschenschläge auf sich und den Wagen niederprasseln ließen. Der Fahrer fluchte und schrie laut auf Holländisch, aber Barrière ließ das Fenster herunter und reichte den Mönchen ebenfalls einen großen Geldschein. Dieses Mal allerdings widerstand Hjelm, es ihr nachzutun, trotz eines auffordernden Blickes.
Kerstin Holm legte sich die Hand aufs Herz und fragte: »Ist das hier wirklich noch Unterhaltung?«
»Wie immer ihr Auftrag auch lautet, sie nehmen ihn verdammt ernst«, meinte Paul Hjelm.
»Barmherzigkeit ist, dass die Reichen geben – so viel und an wen sie wollen«, sagte Marianne Barrière. »Das macht jeden Bedürftigen zum Bettler. ›Gib mir, ich leide am meisten.‹ Gerechtigkeit sieht anders aus.« Als der Wagen die Autobahn erreicht hatte, fuhr sie fort: »Als ich das letzte Mal in Amsterdam war, bin ich in einer sehr netten Bar in der Prinsengracht gewesen. Ein riesiger Tresen aus Zement und eine große Lounge. Nordafrikanisches Design. Sehr gute Drinks.«
»Bo Cinq.« Paul nickte und erntete dafür einen überraschten Blick von Kerstin.
»Ganz genau«, rief Marianne Barrière. »Ich wusste doch, dass Sie kein Miesepeter sind.«
Da tönte ein kurzes digitales Signal durch die geräumige Karosserie des Wagens. Eine SMS oder MMS. Alle drei tasteten ihre Jackentaschen und Handtaschen ab. Es war schließlich Marianne, die eine Nachricht öffnete. Sie drehte das Handy zur Seite, als Paul den Kopf neigte und sah, dass die Nachricht nur aus einem Foto bestand. Kerstin blickte ihn an und hob eine Augenbraue: »Bo Cinq?«
»Ich war mit Arto und Jorge da, als Jorge uns das letzte Mal besucht hat.«
»Drei schwedische Männer und sonst niemand?«
»Da waren bestimmt noch andere dabei ...«
Marianne Barrière steckte das Handy zurück in ihre kleine Handtasche und sagte: »Ich befürchte, wir müssen unsere Drinks verschieben.«
Paul und Kerstin bemerkten beide die steile Falte, die sich zwischen ihren Augenbrauen gebildet hatte. Auch ihr Blick hatte sich verändert. Die Stimmung in der Limousine sank dramatisch ab.
»Das ist in Ordnung«, entgegnete Kerstin so bestimmt wie möglich. »Ich bin auch schon ziemlich müde.«
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Paul.
Marianne Barrière schüttelte nur wortlos den Kopf und blieb stumm, bis die Limousine in die Herengracht einbog und wenige Meter vor dem Ambassade Hotel anhielt. Als Kerstin und Paul ausstiegen, beugte sie sich zu ihnen und sagte: »Es tut mir leid. Es war mir ein Vergnügen, die Herrschaften kennenzulernen.«
»Gleichfalls!«, erwiderte Paul. »Ich wünsche Ihnen alles Gute und viel Glück, Marianne.«
Die EU-Kommissarin nickte und gab ihrem Fahrer ein Zeichen, woraufhin der das Gaspedal durchtrat.
Paul und Kerstin sahen einander an.
»Diese MMS hatte es offenbar in sich«, sagte Paul.
»Dafür haben wir jetzt mehr Zeit für uns«, entgegnete Kerstin. »In unserem Nest der beschaulichen, heteronormativen Zweisamkeit.«
Paul sah über die pechschwarze Wasseroberfläche der Herengracht und wandte sich dann Kerstin zu. Sie lächelten sich an und umarmten sich.
»Da hast du natürlich vollkommen recht«, sagte Paul Hjelm.
Arm in Arm schlenderten sie zum Hotel.
Grünes Licht
Den Haag – Amsterdam, 30. Juni
13:22 Uhr
Die European Police Chiefs Convention war nicht ganz so unerträglich, wie Paul Hjelm befürchtet hatte. Am Tag zuvor waren die über hundert Delegierten in zwei Gruppen eingeteilt worden, um die beiden Hauptthemen des Kongresses zu diskutieren: »Working Group on the Future of Organised Crime« und »Working Group on the Future of Terrorism«. Fast ausnahmslos hatte es sich um anregende und hochinteressante Diskussionen gehandelt.
Paul und Kerstin waren nicht in derselben Gruppe gelandet und hatten den ganzen Tag über nicht einmal den Schatten des anderen zu Gesicht bekommen, bis sie spät in der
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