Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)
Felipe?«
»Einer der Leibwächter ist unterwegs«, berichtete Navarro mit erhöhtem Puls.
»Verdammt«, fluchte Söderstedt. »Was habe ich gesagt? Wie viel Zeit haben wir noch?«
»Wir wissen nicht, ob er auf dem Weg zu euch ist.«
»Das muss für uns ›Er ist es‹ bedeuten. Wie lange bleibt uns noch, verflucht?«
»Maximal zehn Minuten. Schafft ihr das?«
»Zehn Minuten, Jutta? Sie nickt, aber das kannst du ja auch sehen.«
Sogar in Nahaufnahme, dachte Navarro grimmig. So ein Mist.
»Das Telefonat in der Kirche ist beendet«, sagte Marinescu.
Navarro nickte geistesabwesend.
Marinescu fuhr fort: »Soll ich das andere jetzt übersetzen?«
»Das andere?«
»Konzentration!«, forderte Marinescu. »Das Gespräch im Anne-Frank-Haus.«
»Entschuldige, klar«, erwiderte Navarro und lud umständlich die Aufzeichnung hoch.
Marinescu lauschte der Aufnahme und sah plötzlich ganz verlegen aus.
»Aber ...«, stotterte er.
»Was ist los?«, fragte Navarro.
»Das ist nicht Rumänisch«, sagte Marinescu.
»Nicht Rumänisch?«
»Nein«, erwiderte Marinescu. »Das muss Italienisch sein.«
Felipe Navarro starrte einen Augenblick vor sich hin. In ihm drehte sich alles. »Verdammt!«, brüllte er schließlich und griff nach dem Handy.
»Hershey«, kam die prompte Antwort.
»Neue Anweisungen«, sagte Navarro. »Folge dem Unbekannten. Ich wiederhole: Verfolgung des Leibwächters aufgeben, stattdessen dem Unbekannten folgen.«
»Aber das ist jetzt zu spät«, antwortete Hershey. »Ich bin dem Fleischschrank schon mehrere Hundert Meter gefolgt. Der Unbekannte ist über alle Berge.«
Navarro knallte das Handy auf den Schreibtisch und schlug sich die Hand vor die Stirn.
Der Bandenchef erhob sich von der Kirchenbank und schüttelte den Kopf. Während er sich dem Ausgang näherte, klappte er sein Handy auf. Dann verließ er die Kirche. Laima Balodis folgte ihm den Kanal entlang. Nach etwa zwanzig Metern sah sie, wie er einen sehr kleinen Gegenstand ins Wasser warf. Balodis folgte dem Ding mit dem Blick. Während es langsam auf den Grund schwebte, erkannte sie, um was es sich handelte. Eine Zehntelsekunde überlegte sie, ob sie hinterherspringen sollte. Dann wählte sie stattdessen eine Nummer.
»Wir benötigen einen Taucher«, sagte sie.
»Wir benötigen was ?«, rief Felipe Navarro.
»Ich habe die exakte Position der SIM-Karte, die der Bandenchef gerade ins Wasser geworfen hat.«
»In den Kanal?«
»Ja, genau vor dem Laden Favorite Chicken and Ribs, Oudezijds Voorburgwal 64.«
»In welche Richtung geht er?«
»Nicht in Richtung Wohnung.«
»Also gut, wir machen Folgendes«, erklärte Navarro, »wir haben die exakte Position der SIM-Karte, aber darum müssen wir uns später kümmern. Verfolge ihn.« Navarro klickte Balodis weg und sagte laut: »Sowohl der Bandenchef als auch der Leibwächter vom Anne-Frank-Haus entfernen sich weiter von der Wohnung.«
»Das heißt aber nicht, dass auch der Leibwächter aus der Kirche das tut«, ergänzte Marinescu. »Wir sollten uns an den ursprünglichen Plan halten. Das heißt, wir haben noch drei Minuten. Wenn er nicht mit dem Taxi gefahren ist, versteht sich.«
Felipe Navarro spürte, wie ihm die Kontrolle entglitt. Aber etwas verhinderte den totalen Zusammenbruch. Es war ein kleiner Junge. Als er die Nachricht erhalten hatte, dass der kleine Junge blind geboren worden war, hatte er sich geweigert, von seiner Seite zu weichen. Keine einzige Sekunde hatte er in den ersten Monaten seinen neugeborenen Sohn allein gelassen. Ein einziger Gedanke hatte ihn begleitet: Und dich hatte ich nicht haben wollen.
Er spürte, wie er wieder Kraft gewann. Erneut öffnete er die Kameraaufnahme in der observierten Wohnung. Dann sagte er: »Geh ans Teleskop, Adrian. Wenn der Schrank auftaucht, will ich es sofort erfahren. Und mach diesen Bademantel zu, verdammt noch mal.«
Dann beobachtete er Jutta Beyer, die nach wie vor auf der Leiter stand und die Kamera einstellte. Arto Söderstedt hatte die Leiter losgelassen und lief in der Wohnung herum, saugte den Bohrstaub auf und stellte alles zurück an seinen Platz. Das Kamerabild schwenkte von Jutta Beyers Gesicht auf den Schreibtisch. Zwei Kameras waren jetzt auf die Tischplatte gerichtet, eine dritte in den Raum. Mit dieser konnte er Beyer und Söderstedt beobachten, wie sie den Schreibtisch zurück an seinen ursprünglichen Standort schoben und sich dann im Zimmer umsahen. Jutta Beyer ließ den Miniaturschraubenzieher in ihre Tasche
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