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Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)

Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)

Titel: Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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zurücknehmen.
    Sie nickte ihm kurz zu und ging. Er sah ihr hinterher, wie sie an ihren temporären Arbeitsplatz am Rand der offenen Bürolandschaft ging, wo die Tische für die nationalen Vertreter standen. Sie setzte sich. Jetzt sah sie bedrückt aus, fand er.
    Er öffnete eine Datei und suchte sich ein Musikstück aus. Heutzutage gab es zu wenig Zeit für Musik. Er entschied sich für einen Song der Einmannband Loney Dear, »Calm Down«, ein schöner Titel. Während Paul Hjelm sich von den heilenden Tönen umfangen ließ, musste er an eine Unterhaltung in einem mittelalterlichen Schloss denken. Es ging um einen Gesetzesentwurf, der Europa verändern würde. Ein gesenkter Kopf und geflüsterte Worte.
    »Wenn Sie bei sich in der Behörde jemals über den Begriff ›Plan G‹ stolpern, dann lassen Sie von sich hören.«
    Und während die sonderbaren Vibrafonklänge einsetzten, dachte er an Marianne Barrière.

Das Handy
Gnesta, 2. Juli
    Während das Wasser ihn umspült, spürt er, wie sauber er wird. Er fühlt sich buchstäblich gereinigt. Dabei ist es gar nicht so lange her, dass er zuletzt geduscht hat. Das war vorgestern. Aber ihm kommt es vor, als hätte sich seitdem besonders viel Schmutz auf seinem Körper abgelagert. Der löst sich nun, als er unter die Wasseroberfläche taucht. Seine schlechtere Hälfte gleitet von ihm ab wie eine Ritterrüstung, eine scheinbar identische Kopie seiner selbst sinkt langsam zu Boden.
    Jetzt liegt er am Boden und lässt die Finger über die veralgten Steine streichen. Er gleitet durch das kühle Wasser. Verwendet die Seife, die er in dem verfallenen Haus gefunden hat. Schrubbt seinen Körper und ist von dessen Sehnigkeit überrascht. Er hat das Gefühl, als hätte sich sein Körper von allem losgesagt, als könnte er endlos die Luft anhalten. Als würde sein Körper nichts mehr benötigen, nicht die kleinste Kleinigkeit.
    Er ist fast fertig mit seinem Bad, da gleitet ihm die Seife aus der Hand. Er meint sogar, sie davonschweben zu sehen, als hätte sie ein Eigenleben. Dabei weiß er ja gar nicht, wie eine Seife aussieht.
    Seit zwei Tagen war er nun schon in dem Sommerhaus, aber erst jetzt war er wirklich davon überzeugt, dass es so einsam lag, wie Janne versprochen hatte. Erst jetzt wagte er es, im See baden zu gehen.
    »Im Zug wird dich keiner weiter beachten«, hatte Janne gesagt. »Aber wenn du am Bahnhof in Gnesta ankommst, sei bloß vorsichtig und hüte dich vor allem vor diesem Gitarrenteufel. Der ist absurd wachsam und bemerkt jeden Fremden sofort. Und du wirst wie ein musizierender Zigeuner aussehen.«
    »Ich bin ein musizierender Zigeuner«, hatte Mander Petulengro geantwortet.
    Und er war vorsichtig. Ein Blinder an einem neuen Ort – es war nicht sein erstes Mal. Er hatte schon wesentlich schlimmere Orte bereist als Gnesta, und es war ihm immer gelungen, unbemerkt zu bleiben. Man musste nur gut hören. Und spüren. Und Mander Petulengro konnte sowohl hören als auch spüren. Er folgte der Wegbeschreibung, das fiel ihm nicht schwer. Als hätte Janne genau gewusst, wie es war, blind zu sein.
    Blind geboren zu sein.
    Schon kurz hinter dem Bahnhof wurde er von einem Wald umschlossen, die starken Düfte der Gehölze stiegen in sein hochsensibles Sinnesorgan, und er vernahm eine gedämpfte, matte Stille. Er lief und lief, Jannes Hinweise genau beachtend: »Nach etwa zehn Minuten hörst du Kühe, zwanzig oder fünfundzwanzig Minuten später sprudelt ein kleiner Bach, und wenn du den Scheißköter hörst, musst du deine linke Hand ausstrecken und die Reihe mit den Briefkästen entlangfahren.« Er zählte sie ab, alles stimmte. Noch zwanzig Schritte, dann durfte er den Pfad am Straßenschild nicht verpassen. Der wand sich hinunter zu dem kleinen See – er nahm wahr, wie der Geruch von See stärker wurde –, und schon war er angekommen.
    »Dort war niemand mehr, seit Mutter gestorben ist«, hatte Janne gesagt. »Ich hätte die Scheißhütte verkaufen sollen, aber ich habe vergessen, wie das geht.«
    Der Schlüssel an einem Nagel unter ein paar Holzbrettern, dann die Jagd nach der Ursache für den verfaulten Geruch, schließlich Einsatz der entdeckten Seife, um die Überreste der toten Fledermaus im Waschbecken zu entfernen. Und um überall sauber zu machen. Zum Schluss roch es annehmbar. Mander fand das Bett und sank wie tot darauf nieder.
    Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit wusste er nicht, wie spät es war, als er aufwachte. Sein Magen schrie vor Hunger. Und er

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