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Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)

Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)

Titel: Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Geschichte meines Volkes gesungen habe.«
    »Der blinde Barde«, sagt Janne. »Kennst du Demodokos?«
    Mander erinnert sich, dass er den Kopf schüttelte, als Janne ihn das gefragt hatte. Aber davon ist nichts zu hören.
    »Erzähl weiter«, sagt Janne. »Zuerst durch Serbien also?«
    »Novi Sad, dann nach Kroatien über Vukovar.«
    »Im Winter 1992? Da war der Krieg in Kroatien doch in vollem Gange?«
    »Es war kalt und die Stimmung in Serbien nicht sonderlich gut. Aber als ich nach Kroatien kam, war es dort noch schlimmer. Der einzige Vorteil war, dass sie einander so sehr hassten, dass sie vergaßen, die Roma zu hassen.«
    »Aber war der Krieg da schon ausgebrochen?«
    »Es gab überall in den Wäldern Gruppen von Kämpfern. Aber denen gefielen meine Lieder. So überlebte ich. Manchmal haben sie mir sogar etwas zu essen gegeben. Dann bin ich weiter nach Bosnien gezogen. Ich hatte ja keine Karte, ich bin einfach drauflosgewandert. Schließlich landete ich in Banja Luka, das war nicht besonders lustig, eine hasserfüllte Stimmung. Danach bin weitergezogen nach Sarajevo. Und dort herrschte wirklich Krieg. Die Soldaten hatten sich auf den Hügeln verschanzt und schossen auf die Einwohner wie Scharfschützen.«
    »So ein Mist, und du warst die ganze Zeit in Sarajevo? Die Stadt war doch bestimmt fünf Jahre lang belagert?«
    »Das war die beste Zeit meines Lebens.«
    Mander Petulengro erinnert sich, dass er ein Lächeln nicht unterdrücken konnte, als er das sagte.
    »Ach so!« Janne lacht überrascht auf. »Gib zu, dass der Grund ein Mädchen war.«
    »Luminitsa«, sagt Mander mit verträumter Stimme.
    »Wie schön!«
    »Nein. Sie blieb zurück. Und ich bin weitergezogen.«
    »Sie blieb zurück?«
    »Sie war auch blind. Wir bewegten uns nur nachts vorwärts, da konnten wir am besten sehen und die Scharfschützen am wenigsten. Aber eines Tages hat sie sich geirrt. Aber ich will davon nicht erzählen.«
    »Alles in Ordnung. Wie schrecklich.«
    »Ich habe Sarajevo in der Nacht vom 5. Februar 1994 verlassen. Zehn Jahre bin ich umhergewandert, habe mich nirgendwo zu Hause gefühlt. Ich habe gesungen und gespielt, bis ich genug zum Leben hatte, und bin am Ende nach Transsilvanien zurückgekehrt. Obwohl in Caşin keiner aus meiner Familie mehr lebte, hatte aber die Landschaft überlebt. Die Gerüche, die Winde. Aber ich hätte nicht zurückkehren sollen.
    »Caşin?«
    »Meine Heimatstadt im Landkreis Harghita. Ganz in der Nähe von Miercurea Ciuc. Aber dort gab es nichts mehr, außer Hass. Ich ging weiter nach Tîrgu Mures¸. Dort landete ich in einem verlausten Pflegeheim. Wollte mich zur Ruhe setzen. Wollte dort in Frieden sterben. Aber daraus wurde nichts.«
    »Und in deiner Heimatstadt war nichts mehr, außer Hass?«
    »Sie hassten uns schon, als ich jung war. Dort gab es Rumänen, Ungarn und Roma. Aber die haben nie zusammengefunden. Eines Abends, ich war nicht älter als achtzehn damals, war ich mit meinen Cousins in einer Kneipe. Plötzlich wollten sie nicht zur Seite gehen, als ein paar Ungarn vor uns bedient werden wollten. So war es, die stellten die Mehrheit der Bevölkerung, also musste man ihnen den Vortritt lassen. Aber nicht an diesem Tag. Der Wirt warf uns aus der Kneipe. Ich bin nach Hause gegangen, aber meine Cousins drangen auf die Grundstücke der Ungarn ein, die diese nach der Befreiung zugewiesen bekommen hatten. Kollektiver Boden, der an alle verteilt wurde, nur nicht an die Roma. Sie haben ein paar Sachen gestohlen, Korn, Saatgut. Die übrigen Einwohner der Stadt versammelten sich daraufhin in der Kirche und bekamen Gottes Segen, um sich zu rächen und alle Häuser der Roma in Caşin niederzubrennen. Hundertsechzig Roma wurden obdachlos, viele ernsthaft verletzt. Ich nahm meine Gitarre und ging fort. Ich konnte nicht länger bleiben. Aber ich fing an, Lieder darüber zu schreiben.«
    »Dann hast du ein Pogrom überlebt?«
    »Ich weiß nicht, was das bedeutet. Aber wer ist Demodokos?«
    »Ach, vergiss es, Mander. Das ist nur Literatur. Wie ein Schilfrohr im Wind. Das Flüchtigste im Leben.«
    »Das finde ich nicht. Ich will es gerne wissen.«
    »Hast du schon einmal von Homer gehört? Der Ilias und der Odyssee ?«
    »Die alten Geschichten in Versform?«
    »Genau. Sie handeln vom Krieg. Vom Krieg und der kriegerischen Heimkehr vom Krieg. In der Odyssee kommt ein blinder Sänger vor, Demodokos. Er bringt mit seinen Liedern den heimkehrenden Odysseus zum Weinen. Ich erinnere mich nicht an besonders viel,

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