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Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)

Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition)

Titel: Neid: Thriller (Opcop-Gruppe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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erst seit Kurzem und überlegte, ob sie es Paola nennen sollte.
    Während sie aufmerksam und vorsichtig durch kleine Ortschaften wie Nes aan de Amstel, Loenersloot und Ouderkerk aan de Amstel und abstoßende Vororte wie Diemen, Duivendrecht und Bijlmer gefahren war, hatte sie viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Aber die Gedanken wurden zunehmend düster. Was würde mit Liang Zunrong geschehen? Was hatte das Schicksal für den armen Jungen vorgesehen? Was hatte die Mafia mit einer Gruppe chinesischer Jungen vor? Wie lange lief das schon so?
    Und stimmte das Gerücht, dass Kerstin Holm den Fall in Stockholm viel zu persönlich genommen hatte, als sie damals der Mutter eines Zwillingspaares mit einem ähnlichen Schicksal begegnet war?
    Die Idee mit dem Wettrennen kam ihr mit einem Mal zynisch vor.
    Trotzdem folgte sie dem blinkenden Punkt beharrlich und hielt den wohlüberlegten Abstand genau ein. Trotzdem wollte sie gewinnen.
    Um Liang Zunrongs willen.
    Die Sonne wanderte unverdrossen über das Himmelszelt, die Schatten wurden länger und länger. In Duivendrecht meinte Jutta Beyer den Wagen von Kerstin Holm im Augenwinkel an einer Kreuzung gesehen zu haben, und in der winzigen Ortschaft Nes aan de Amstel sah sie ihn definitiv für wenige Sekunden im Rückspiegel. Das Schlimmste war der Moment, als sie auf der Autobahn in einen Stau vor einer Baustelle geriet, aber offenbar steckte auch Liang Zunrongs Fahrzeug fest, denn der Punkt stand nur wenige Hundert Meter vor ihr auf der Stelle. Und dort gab es keine Gebäude. Doch sie waren ziemlich sicher auf dem Weg zu einem Gebäude oder einem Gebäudekomplex, wo sich einige Dinge klären würden.
    Die Abenddämmerung war noch nicht hereingebrochen, aber von der Uhrzeit her war es Abend, als das Blinklicht des Senders in Richtung eines stillgelegten Industriegebietes in Buiksloterham abbog. Das Gelände lag am Fluss IJ, im Norden von Amsterdam. Diese Gegend war früher einmal ein Ort blühender Industrie gewesen. Die Schiffsindustrie hatte floriert, bis die Chinesen begannen, billigere Fahrzeuge zu bauen. Zwar konnte man Bemühungen um die Instandhaltung des Areals erkennen – überall standen halb fertige Neubauten, Maschinenparks, stillgelegte Baustellen –, aber im Großen und Ganzen war das ein ziemlich unheimlicher Ort.
    Der Sender bewegte sich nach wie vor auf dem Bildschirm des Laptops, der auf dem Beifahrersitz lag. Aber er wurde langsamer. Sie war circa fünfhundert Meter hinter ihm und blieb in Deckung.
    Plötzlich verharrte das Blinklicht auf der Stelle. Jutta Beyer hielt auf dem Seitenstreifen. Vor ihr lag eine Linkskurve, hinter ihr ein verfallenes Gebäude. Hoffentlich sah sie keiner. Aber jetzt war es zu spät, um umzudrehen. Also Ruhe bewahren und alles genauestens beobachten. Arto Söderstedts Winterschlaftaktik anwenden.
    In Buiksloterham standen ausreichend verlassene Gebäude und Anlagen verstreut, um eine Vielzahl unterschiedlichster krimineller Aktivitäten zu beherbergen. Sie war wahrscheinlich schon ganz nah dran. Nahe am Zentrum, am Kern.
    Der Peilsender stand weiterhin still.
    Keine Bewegung.
    Beyer lehnte sich zum Beifahrersitz hinüber und zoomte auf dem Laptop so nah wie möglich an den Sender heran. Es sah so aus, als würde er sich nicht weit von der Straße entfernt aufhalten, in einem großen flachen Gebäudekomplex. Es war jedoch nicht zu erkennen, um was für ein Gebäude es sich handelte. Groß war es jedenfalls. Und irgendwo darin befand sich Liang Zunrong. Reglos.
    Jutta Beyers Versuch, ihre Phantasie zu bremsen, misslang. Sie sah einen riesigen Schlafsaal mit lauter kleinen chinesischen Jungen vor sich. Sie sah eine Art Trainingslager mit hartgesottenen Hauptfeldwebeln, wo gnadenlose Schikane herrschte und die Schwächsten erbarmungslos aussortiert wurden. Allerdings war ihr auch klar, dass es sich dabei nicht um eine Szene aus dem Film Ein Offizier und Gentleman handelte. Der Schlafsaal wurde in ihrer Vorstellung zu einer Art Wartesaal. Auf der anderen Seite der Wand stand der Käufer der Jungen. Er – denn mit größter Wahrscheinlichkeit handelte es sich um einen Mann – war bereit, eine stolze Summe hinzublättern, um seine perversen Gelüste zu befriedigen. Er war ein Mann, dem die herrschenden Umstände in der europäischen Gesellschaft zugutegekommen waren und ihn reich gemacht hatten, er war Unternehmer, ein Macher, ein Mann, der trotz seiner Sozialisation in einer demokratischen Gemeinschaft niemals demokratische Werte

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