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Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues

Titel: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Ironside
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zuhause abliefern.
    Schüchternheit war mein zweiter V orname … bis jetzt. Jetzt besitze ich auf einmal Selbstbewusstsein. Na gut, das meiste ist vielleicht nur gespielt, aber selbst wenn, dann funktioniert die Schauspielerei erst ab einem gewissen A lter.
    Sie glauben gar nicht, was für eine Erleichterung das für mich ist. W enn jetzt mal wieder die Zeugen Jehovas an meiner Haustür klingeln, getraue ich mich, sie zum Teufel zu schicken. Und wenn mein Zahnarzt meint, dass ich eine neue Füllung brauche, kann ich sagen: » Moment mal! Hätten Sie vielleicht die Güte, mir genau zu erklären, was und warum das nötig ist, bevor Sie anfangen, in meinem Mund rumzubohren? Immerhin ist es mein Mund!« (Und wenn er dann fertig und alles prima gelaufen ist, kann ich ihm ein Küsschen auf die W ange geben und ihm ohne Scheu versichern, dass ich ihn schlichtweg für ein Genie halte.)
    Wenn ich an irgendwelchen Komiteesitzungen teilnehme, höre ich oft eine vertraute Stimme eine Frage stellen– meine eigene. Meist sage ich dann Dinge wie: » Ich habe kein W ort verstanden. Könnten Sie das vielleicht noch mal in zwei einfachen Sätzen sagen? In verständlichem Englisch?« Es stellt sich dann meistens heraus, dass ich nicht die einzige Blöde bin, sondern dass der ganze Saal nichts verstanden hat und dass die Leute dankbar sind, wenn jemand(der alt und schamlos genug ist)sich getraut nachzufragen.
    Tatsächlich bin ich manchmal sogar ein wenig zu selbstbewusst. Kennen Sie das auch? Plötzlich hören Sie sich etwas sagen, das Sie eigentlich nur im Stillen gedacht hatten und das Ihnen nun einfach so aus dem Mund hüpft wie eine hässliche Kröte. Da kommt jemand mit einer rigorosen Kurzhaarfrisur vom Friseur, und plötzlich hören Sie sich sagen: » Oh, die schönen Locken! W ie konntest du bloß!«
    Wissenschaftler behaupten, dass es mit einer V erkalkung der Synapsen im vorderen Gehirnlappen zusammenhängt (oder so ähnlich). Ich dagegen glaube, es ist einfach unverschämtes Selbstbewusstsein.
    Ich habe mit etwa sechzig angefangen, die Leute » Schätzchen« oder » Darling« zu nennen, wie Dickie A ttenborough. (Zum Teil deshalb, weil mir ihre Namen einfach nicht einfallen, aber darüber wollen wir im Moment mal hinwegsehen.) W enn ich jemandem den V ortritt lasse, fühle ich mich keineswegs klein und erniedrigt– im Gegenteil: Für mich ist es eine Geste der Überlegenheit, mit der ich ausdrücke, dass es für mich keine Rolle spielt, wer den V ortritt hat, und dass das W arten meinem (übergroßen) Selbstbewusstsein keinen A bbruch tut.
    Ein Dichter hat einst geklagt, dass » die Jahre zwischen fünfzig und siebzig die schlimmsten sind. Man wird dauernd gebeten, irgendwas zu tun, und ist noch nicht gebrechlich genug, es abzulehnen«.
    Dem stimme ich nicht zu. Ich kann durchaus nein sagen. W enn mich zum Beispiel jemand einlädt, zum Oboenkonzert seiner Enkelin in die Kathedrale von Ely zu kommen (die Hunderte von Meilen von London entfernt liegt), dann sage ich einfach: » Bedaure, nein. Das ist mir zu weit. Ich wünsche deiner Enkelin alles Gute und bin gerne bereit, etwas für den guten Zweck zu spenden, aber für so eine weite Fahrt bin ich einfach zu alt.« Ich formuliere es vielleicht nicht ganz so direkt, aber Sie verstehen schon, was ich meine.
    Ist es nicht schön, dass man in vorgerücktem A lter auch so durchgeknallte Sachen sagen kann wie: » Tut mir leid, ich kann nicht zu Ihrer Dinnerparty kommen, denn ich erwarte morgen den Elektriker«? Da bleibt dem anderen die Spucke weg, das können Sie mir glauben.
    Manchmal lehne ich sogar einen Kinobesuch ab, wenn ich das Gefühl habe, dass mir der Film nicht gefallen würde. » Nein, da kann ich unmöglich hingehen«, sage ich in einem solchen Fall. » Ich weiß jetzt schon, dass ich den Film hassen würde!« (Und wenn ich dann doch hingehe, stelle ich immer öfter fest, dass ich mit meiner Einschätzung von Filmen und Theaterstücken, die ich noch gar nicht gesehen habe, absolut richtiglag.) Ich habe im fortgeschrittenen A lter wohl so etwas wie einen sechsten Sinn für Filme entwickelt, ähnlich wie ein Blinder, der ein Objekt mit den Händen » sehen« kann. Ich brauche nur zu lesen, dass bestimmte Leute einem bestimmten Film gute Kritiken gegeben und bestimmte andere Leute ihn verrissen haben, dann schaue ich mir auf YouTube den Trailer an, frage ausgewählte Freunde, wie sie den Film fanden, und weiß schließlich ganz genau, ob er mir gefallen würde oder

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